Erstmals darf im Berufsverkehr auf der Autobahn 8 zwischen Möhringen und Kreuz Stuttgart auch der Standstreifen genutzt werden. Doch wie erkennt man, wann er freigegeben ist? Wir klären die wichtigsten Fragen rund um die neue Regelung.

Stuttgart - Kurz nach 6.30 Uhr fährt der Lastwagenfahrer an der Anschlussstelle Stuttgart-Möhringen auf der Einfädelspur einfach geradeaus weiter – trotz durchgezogener Linie auf der Fahrbahn, aber das entsprechende Verkehrszeichen im Blick. Er nutzt damit als einer der ersten eine Regelung, die Premiere im Land Baden-Württemberg hat. Seit Montag darf im morgendlichen und nachmittäglichen Berufsverkehr auf der A 8 zwischen dem Stuttgarter Kreuz und Stuttgart-Möhringen auch der Standstreifen befahren werden. Freigeschaltet wird die zusätzliche Fahrbahn von der Verkehrsrechnerzentrale in Stuttgart-Feuerbach, die den Abschnitt mit 18 Kameras überwacht und die Beschilderung einschaltet.

 

Allerdings wird die Ausnahmeregelung von den Autofahrern an diesem Montagmorgen noch zurückhaltend genutzt: Obwohl der Verkehr in Richtung Karlsruhe vor dem Stuttgarter Kreuz auf bis zu fünf Kilometern Länge stockt, bleiben anfangs viele auf den überfüllten, drei normalen Spuren, erst nach und nach wird der Streifen genutzt. In Richtung München, wo der Verkehr flüssig ist, befahren nur vereinzelt Autos die rechte Spur, selbst viele Lastwagenfahrer lassen sie rechts liegen.

Appell an die Autofahrer

Verkehrsminister Winfried Hermann appellierte deshalb an die Autofahrer, die zusätzliche Möglichkeit „rücksichtsvoll und intelligent“ zu nutzen – das heißt für ihn vor allem, die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h einzuhalten. „Bei einem gleichförmigen Tempo fließt der Verkehr besser, als wenn ständig gebremst und beschleunigt wird“, meint er, als er die Regelung am frühen Morgen in Betrieb nimmt. Rücksichtnahme ist auch erforderlich, wenn der Standstreifen in die Ausfädelspur übergeht und die Geradeausfahrer nach links wechseln. Die Verkehrssicherheit werde aber nicht beeinträchtigt, verweist Klaus Arnold vom Landesverkehrsministerium auf Erfahrungen aus Bayern und Hessen.

„In Zeiten, in denen der Ausbau von Autobahnen illusorisch ist, müssen wir die vorhandene Infrastruktur auf überlasteten Strecken besser nutzen“, sagt Hermann. Er hofft auf weniger Staus und weniger Unfälle auf dem Abschnitt, der täglich von 140 000 Fahrzeugen befahren wird. Sollte sich der Probebetrieb bewähren, wovon alle Beteiligten ausgehen, werden künftig nicht nur auf dieser Strecke die Standstreifen zu bestimmten Zeiten freigegeben. Ähnliches plant das Land auf der A 8 Richtung München zwischen Flughafen und Esslingen und auf der A 81 zwischen Ludwigsburg-Nord und Zuffenhausen. „Wir wollen nicht länger den Ruf der Stauregion haben“, sagt Hermann.

Wann gilt die Freigabe? Die Standstreifen werden in der Zeit von 6.30 bis 9.30 Uhr und von 15.30 Uhr bis 18.30 Uhr für die Autofahrer freigegeben. Das geschieht, indem das entsprechende Verkehrszeichen an den Schilderbrücken elektronisch aufgeklappt wird. Die Zeitvorgaben sind flexibel und hängen vom Verkehrsaufkommen ab. So könne die Regelung auch bei starkem Ausflugsverkehr genutzt werden, sagt Arnold.

Wie erfolgt die Freigabe? Die Strecken – 2,6 Kilometer Richtung Karlsruhe und 4,2 Kilometer Richtung München – werden von 18 Kameras überwacht. Anhand der Bilder überprüfen die Experten in der Verkehrsrechnerzentrale, ob die Standstreifen frei sind. Dann wird nach und nach die Beschilderung verändert, das dauert etwa 15 Minuten. Wenn die Streifen wieder gesperrt werden, wird der rot gekreuzte Schrägbalken angezeigt.

Was passiert bei einem Unfall? Dann wird der Seitenstreifen für den Verkehr sofort gesperrt, damit die Rettungsfahrzeuge freie Fahrt haben. Ist das Unfallgeschehen außerhalb des Abschnitts und staut sich der Verkehr zurück, so wie am Montagnachmittag, kann die Spur freigegeben werden. Pannenfahrzeuge sollten, wenn möglich, nicht auf dem Standstreifen anhalten, sondern eine der extra eingerichteten Nothaltebuchten ansteuern.

Die Meinung der Verkehrsclubs Sowohl der ADAC als auch der ACE begrüßen die Freigabe. Dadurch könne punktuell die Staugefahr gemindert werden, sagt der ADAC-Sprecher Reimund Elbe. Allerdings sei dies kein Ersatz für den Ausbau von Autobahnen. Auch der ACE warnt vor zu hohen Erwartungen. „Das ist nur ein kleiner Beitrag gegen den großen Stau“, sagt ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner.