Der erste Angeklagte im Staufener Missbrauchsfall hat zugegeben, einen neunjährigen Jungen mehrfach vergewaltigt zu haben. Die Öffentlichkeit war ausgeschlossen, seine Anwältin hatte vor dem Landgericht in Freiburg Persönlichkeitsschutz für ihren Mandanten reklamiert.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Schwerer sexueller Missbrauch eines neunjährigen Jungen aus Staufen (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) wird dem Angeklagten eines Prozesses vorgeworfen, der am Donnerstag vor dem Freiburger Landgericht eröffnet wurde. Damit steht der erste der mutmaßlich am Staufener Missbrauchsskandal Beteiligten vor Gericht, weitere werden folgen. Den 41-jährigen Arbeiter Markus K. beschuldigt die Staatsanwaltschaft, den Jungen zwei Mal vergewaltig und misshandelt zu haben. Außerdem habe er 5500 kinderpornografische Bilder und Videos besessen. Die Straftaten seien als Vergewaltigung, schwerer sexueller Missbrauch von Kindern, schwere Zwangsprostitution, Freiheitsberaubung, gefährliche Körperverletzung, Verstoß gegen Weisungsaufsicht und Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften zu bewerten und zu beurteilen. Der Angeklagte räumte die Vorwürfe nichtöffentlich ein, wie der Vorsitzende Richter Stefan Bürgelin sagte.

 

Nachdem die Staatsanwältin Nikola Nowak die Anklageschrift verlesen hatte, kündigte der Angeklagte an, er werde sich zu den Vorwürfen äußern, allerdings verlangte seine Anwältin, zuvor die Öffentlichkeit auszuschließen. Sie begründete dies damit, dass Details aus dem Sexualleben ihres Mandanten zur Sprache kämen, was seine Persönlichkeitsrechte verletzen würde, wenn Publikum dabei wäre.

Das Opfer hat sich gewehrt

Die Kammer unter dem Vorsitzenden Richter Stefan Bürgelin stimmte zu. Es wären, so das Gericht, sowieso weitere Anträge auf Ausschluss der Öffentlichkeit gefolgt, vor allem bei der Vorführung der Videos, auf denen die Täter die Vergewaltigung des Jungen dokumentiert haben. Da auch das psychiatrische Gutachten über den Angeklagten und die Plädoyers „schutzwürdige Interessen“ des Mannes berührten, argumentierte das Gericht – finde fast das ganze Verfahren ohne Beobachter statt.

Bereits die Ausführungen der Staatsanwaltschaft hatten bei den Zuschauern tiefe Betroffenheit hinterlassen. Der 41-Jährige, der in Lahr (Ortenaukreis) geboren ist, hat laut der Anklageschrift den Jungen, den ihm dessen Mutter und deren Lebensgefährte zugeführt hatten, brutal zum Oralverkehr gezwungen und ihn gefesselt. Obwohl sich das Kind deutlich und zunehmend gewehrt habe, habe der Angeklagte weitergemacht und sein Opfer noch beschimpft und beleidigt. Im ersten Fall habe er den Verkehr abgebrochen, weil das Kind nicht aufhörte zu weinen. Das Tatgeschehen in einer Wohnung wurde mit zwei Kameras gefilmt.

Der Angeklagte zeigt keine Regung

Der hochgewachsene Angeklagte in einem blauen Pullover, Jeans und Turnschuhen nahm die Vorwürfe ohne sichtliche Regung auf. Er ist im Freiburger Landgericht kein Unbekannter: Vor acht Jahren ist er dort wegen Vergewaltigung, schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und des Besitzes pornografischer Darstellungen von Kindern zu einer Haftstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt worden. Markus K. hatte im Sommer 2009 im Ortenaukreis ein zehn Jahre altes Kind in ein Maisfeld gelockt und sich an ihm vergangen. Nach vier Tagen wurde er festgenommen, weil sich das Kind nicht nur Teile des Rollerkennzeichens gemerkt hatte, mit dem sein Peiniger unterwegs gewesen war, sondern auch an ein Logo auf dessen T-Shirt.

In der Justizvollzugsanstalt lernte Markus K. laut der Anklage den Mithäftling Christian L. kennen, der, ebenfalls wegen Kindesmissbrauchs, zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden war. Die beiden blieben auch nach ihrer Entlassung 2013 beziehungsweise 2014 in Kontakt und trafen sich sogar in einem Warteraum der Forensischen Ambulanz Baden wieder. Beide standen unter Führungsaufsicht, Markus K. war es verboten, sich Kindern und Jugendlichen zu nähern.

Erste Vergewaltigung auf Feldweg

Im vergangenen Juli nahm er laut der Staatsanwaltschaft über Facebook Kontakt mit seinem Bekannten aus der Haftzeit auf und fragte diesen, „ob er denn etwas für ihn im Angebot“ habe. Christian L. (39) bot ihm das Kind seiner Lebensgefährtin Berrin T. (47) aus Staufen an. Die erste Vergewaltigung am 27. Juli 2017 habe auf einem Feldweg zwischen Kirchhofen und Staufen unter freiem Himmel in einem versteckten Winkel stattgefunden. „Das Kind wurde gefügig gemacht, indem ihm vorgegaukelt wurde, der Angeklagte sei Polizist“, berichtete die Staatsanwältin Nikola Nowak. Dem Neunjährigen sei gedroht worden, er käme ins Heim, wenn er nicht täte, was der Mann wolle. Er bekomme auch Geld dafür. Wie viel ist nicht ganz klar, der Junge sprach gegenüber einer Polizistin von 20 Euro.

Zwei Monate später wurde ein weiterer Termin in der Wohnung der Mutter des Jungen ausgemacht, die im Nebenzimmer wartete, während ihr Sohn nebenan entkleidet und gefesselt zum Oralverkehr gezwungen wurde. Nach Markus K. habe sich auch ihr Lebensgefährte Christian L. an dem Jungen vergangen. Die Täter haben das Geschehen mit zwei Kameras aufgenommen. Die Filme habe der „Kunde“ erhalten, was er dafür bezahlt hat, ist nicht geklärt.

Für den Prozess sind in der kommenden Woche zwei weitere Verhandlungstage angesetzt. Mit einem Urteil ist am 19. April zu rechnen. Im Juni sollen die seit September in Untersuchungshaft sitzenden Hauptangeklagten, die Mutter des misshandelten Kindes und ihr Lebensgefährte Christian L., vor dem Landgericht in Freiburg stehen. Darüber hinaus laufen Ermittlungen gegen fünf Beschuldigte in anderen Städten, die mit dem Staufener Missbrauchsfall in Beziehung stehen.