Die Deutschen verreisen wieder verstärkt mit dem Auto. Gibt es zum Ferienbeginn im Südwesten wieder Mega-Staus?

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Thea Bracht (tab)

Stuttgart - Mit 30 PS nach Rimini: vor 60 Jahren war der Urlaub noch eine Art Roadmovie. Heutzutage packt man zwar nicht mehr den klapprigen Käfer bis obenhin voll, aber eines ist wie früher: Die Bundesbürger fahren wieder vorzugsweise mit dem Auto in die Berge oder ans Meer. Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey vor Ferienbeginn gaben knapp 70 Prozent der Urlauber an, mit dem Auto verreisen zu wollen, bei Familien mit Kindern lag der Anteil sogar bei 75 Prozent.

 

Jahrelang war das anders, wie Zahlen des Deutschen Reiseverbands zeigen: Von 2000 bis 2019 stieg der Anteil des Flugverkehrs bei Reisen ab fünf Tagen von 30 auf 42 Prozent, während der Anteil der Reisen mit dem Auto von 55 auf 43 Prozent sank. Doch in diesem Corona-Jahr ist alles anders, das Sicherheitsrezept für die Sommerferien lautet: Anreise im privaten Pkw plus Ferienwohnung, am liebsten im eigenen Land.

Die Autoclubs gehen von bis zu 20 Prozent weniger Verkehr aus

Droht an diesem Wochenende, da in allen Bundesländern Ferien sind beziehungsweise zu Ende gehen, also der Verkehrskollaps? Experten geben Entwarnung: Weder der Auto Club Europa (ACE) noch der ADAC rechnen mit Megastaus. Die Hochphase der Reisezeit sei „so ruhig wie nie“, heißt es beim ADAC. Der Verkehr bliebe „deutlich unter dem Niveau des Vorjahres“. Die Autolubs gehen von bis zu 20 Prozent weniger Verkehr aus als an den Vergleichstagen vorheriger Jahre. In der 28. Kalenderwoche (6. bis zum 12. Juli) etwa verzeichnete der ADAC bundesweit 16 207 Kilometer Stau – in der 28. Kalenderwoche des Vorjahres waren es noch 25 582. Viele bleiben lieber zu Hause, als sich in die Karawane einzureihen: Laut ARD Deutschlandtrend planen 51 Prozent der Bundesbürger gar keine Urlaubsreise in diesem Sommer. Was nicht heißt, dass sich der Verkehr nicht an einigen Stellen verdichten kann. Mit Staugefahr rechnen die Autoclubs an diesem Wochenende unter anderem in den Großräumen Berlin, Hamburg, Rhein-Ruhr, Rhein-Main, Stuttgart und München sowie auf mehreren Autobahnen, darunter auf der A 5, A 6, A 7, A 8 und A 81.

Auch in beliebten Ferienregionen kann es eng auf den Straßen werden: In den Alpen etwa ärgern sich die Anwohner seit Jahren über die Blechlawinen, vor allem an Wochenenden, wenn halb München in der heimischen Bergwelt unterwegs ist. In diesem Sommer ist das Problem besonders akut wegen des Andrangs von Urlaubern aus anderen Bundesländern und der Scharen von daheimgebliebenen Tagesausflüglern. Am vergangenen Samstag haben genervte Anwohner, denen die Verkehrsflut zu schaffen macht, die viel befahrene Bundesstraße 11 in Wallgau (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) für eine Stunde blockiert. Weitere Demonstrationen in Grainau, Kochel, Murnau und in Garmisch-Partenkirchen sind in Planung.

Wer sich nicht in die Staus einreihen will, kann auch auf die Bahn ausweichen: Weil Urlaub in Deutschland derzeit so attraktiv ist, hat die Bahn ihr touristisches Angebot ausgebaut: Von München aus geht es direkt an die Nordsee nach Norddeich Mole sowie ins Ostseebad Binz. Außerdem bringt ein ICE Fahrgäste aus Berlin nach Innsbruck in die Berge. Von diesem Freitag an kann man zudem von Stuttgart nach Rügen fahren, ohne umzusteigen.

Auch wenn das Gedränge an Bord der ICE wieder größer wird, findet man auch weniger ausgelastete Züge. Denn die Fahrgastzahlen liegen weiter deutlich unter dem Vorjahresniveau: Die Auslastung im Fernverkehr beträgt einem Sprecher zufolge rund 30 Prozent, im Jahr 2019 waren die Züge im Fernverkehr durchschnittlich noch zu 56 Prozent ausgelastet.