Betreiber von Balkon-Kraftwerken fordern Erleichterungen, der Chef der Bundesnetzagentur hat ihnen jüngst den Rücken gestärkt. Nun reagiert der Verband Elektrotechnik mit einem Positionspapier.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Theoretisch ist es simpel und unkompliziert, seinen eigenen Strom mit einem Balkon-Kraftwerk zu produzieren. Aufgrund der Energiekrise ist das Interesse an den Stecker-Solarmodulen sprunghaft gestiegen. Praktisch gibt es aber mehrere Hürden. Betreiber der Minikraftwerke, aber etwa auch die Deutsche Umwelthilfe, fordern den Abbau dieser Hindernisse. Kurz vor Weihnachten hatte Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur, mit Blick auf einen der umstrittenen Punkte Stellung bezogen.

 

In einer Antwort auf eine Mailingaktion – initiiert von der Info-Plattform Mach Deinen Strom – betonte Müller die Bedeutung der Balkon-Kraftwerke für eine Energiewende zum Mitmachen. Zudem warb er dafür, dass beim Anschluss des Kleinkraftwerks ein normaler Schutzkontaktstecker (Schuko-Stecker) ausreichend sein sollte. Bislang sieht die geltende Norm „eine spezielle Energiesteckvorrichtung“ vor. Eine Marktstudie der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin hatte 2022 jedoch dargelegt, dass sich die wenigsten daran halten.

Das steht im Positionspapier des VDE

Der Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik, kurz VDE, reagiert nun mit einem Positionspapier, in dem er gleich fünf Punkte anspricht, die für Betreiber von Balkon-Kraftwerken von Interesse sein dürften. „Wir sind absolut für diese Geräte“, sagt Alexander Nollau, VDE-Experte für die Minianlagen, im Gespräch mit unserer Zeitung. Sie seien Teil der Demokratisierung der Energiewende.

Laut dem Positionspapier könnte erstens ein normaler Schuko-Stecker künftig geduldet werden. Zweitens spricht sich der VDE dafür aus, dass in Deutschland eine Bagatellgrenze für Stecker-Solarmodule mit einer Nennleistung von 800 Watt eingeführt wird; bislang ist es erlaubt, mit den Minikraftwerken maximal 600 Watt in der Spitze zu produzieren.

Darf der Zähler künftig rückwärts laufen?

Drittens: Anders als bisher solle vor der Installation der Tausch des Zählers nicht mehr verpflichtend sein, alte Zähler – die noch keine Zwei-Richtungs-Zähler sind – dürften demzufolge künftig rückwärts laufen. Viertens: Die Anmeldung des Kraftwerks solle vereinfacht werden, indem eine Anmeldung bei der Bundesnetzagentur mit Zugriff der Netzbetreiber genüge. Fünftens: Um die Sicherheit zu gewährleisten, solle der Hersteller Risiken transparent machen; darüber hinaus sei ein sogenannter mobiler RCD – ein FI-Schutzschalter – vor dem Einspeisepunkt nötig, und zudem müsse sichergestellt sein, dass die Spannungsabschaltung für Module mit Schuko-Stecker funktional sei, heißt es.

Klingt in Summe vor allem nach möglichen Erleichterungen für Betreiber von Balkon-Kraftwerken. Jedoch ist aus dem Positionspapier herauszulesen, dass es kein unkomplizierter, schneller Weg werden dürfte. Das deckt sich mit der Einschätzung des Energieforschers Bernhard Wille-Haußmann vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg. „Wir sind positiv überrascht“, sagt er nach einem ersten Blick auf das Papier. Anders als teils in der Vergangenheit sei keine ablehnende Haltung des VDE zu erkennen. Wille-Haußmann und seine Kollegen sind gut im Thema, da sie im Zuge eines Projekts am Normierungsprozess beteiligt sind.

Der VDE sei kein System-, Produkt- oder Lösungsentwickler, sondern ein Plattformgeber und Moderator, erklärt Ansgar Hinz, Vorstandsvorsitzender des VDE, im Gespräch mit unserer Redaktion. Bei vielen der angesprochenen Punkte seien auch andere Stellen involviert. Beispiel 800-Watt-Grenze: Hier liege der Ball beim Gesetzgeber, sagt Hinz. Dieser müsse den Anstoß dafür geben, eine Grundlage zu schaffen, die dem europäischen Standard entspreche. Auf EU-Ebene ist die Bagatellgrenze von 800 Watt bereits vorhanden, kann aber von den Mitgliedstaaten individuell umgesetzt werden.