Stefan Geiselhart aus Dätzingen steht seit 40 Jahren in Diensten von Mercedes-Benz in Sindelfingen. Nach so vielen Jahren hat er viel zu erzählen: Seit 33 Jahren erfüllt er die Sonderwünsche besonders betuchter Kunden in der Manufaktur.
Von außen sieht Bau 3/10 im Sindelfinger Mercedes-Werk aus wie jeder andere auf dem Gelände: graue Blechfassade, dunkelrote Feuertreppe, praktische Vierkant-Architektur. Doch schon beim Betreten des Fahrstuhls wird deutlich, dass er seine Passagiere in andere Gefilde liftet, zumindest nicht ans Band. Die Innenwände sind in weißem Leder gesteppt, darauf prangt in Silber der Schriftzug: Manufaktur. Im Obergeschoss erschließt sich hinter einer Tür dann die Geburtsstätte automobiler Pracht und Herrlichkeit. Seit 33 Jahren ist sie der Arbeitsplatz von Stefan Geiselhart, der vor 40 Jahren als Lehrling anfing.
An den 3. September 1984 kann sich der Dätzinger noch genau erinnern: Es war sein erster Arbeitstag unter dem Stern. „Schon mein Vater hat jahrzehntelang beim Daimler geschafft“, sagt der heute 55-Jährige. So lag es für ihn nahe, in diese schwäbischen Fußstapfen zu treten. Der Kanzler hieß damals noch Helmut Kohl und der Mercedes-Werkleiter Wolfgang Jacobi. Geiselharts Lehrberuf nannte sich damals schlicht Kfz-Elektriker. „Wie heute meine exakte Funktionsbezeichnung ist, kann ich gar nicht genau sagen“, sagt er und lacht verschmitzt.
Es spielt für ihn auch keine so große Rolle, da die Tätigkeit äußerst abwechslungsreich ausfällt. Zu seiner großen Freude: „Als Lehrling habe ich mehrere Abteilungen durchlaufen, stand auch mal am Band. Doch das war nicht meins.“ Er wechselte in die Einfahrabteilung, als gerade der W 124 aktuell war. Für weniger Fachkundige: Das war die letzte E-Klasse mit eckigen Scheinwerfern, gebaut zwischen 1984 und 1997. Anfang der Neunziger lief dann der W 140 an, die S-Klasse, die aufgrund ihres staatstragenden Auftritts häufig mit dem eingangs erwähnten Kanzler Kohl in Verbindung gebracht wird.
Autotelefone boomen in den neunziger Jahren
„Die Abteilung Sonderwunsch suchte damals Leute“, erinnert sich der Mercedes-Mitarbeiter. „Also habe ich mich beworben – mit Erfolg.“ In etwa zeitgleich mit dem Serienstart des Dickschiffs kommt bei immer mehr Mercedes-Kunden der Wunsch nach einem Autotelefon auf. Und den erfüllte man in Geiselharts Abteilung.
„Wir hatten Geschäft ohne Ende.“ Die Technik, die heute locker in die Hosentasche passt, füllte damals den halben Kofferraum, erinnert sich Stefan Geiselhart mit Kopfschütteln. Während seiner 33 Jahre im „Sonderwunsch“ bekam er es allerdings noch mit weitaus exquisiteren Kundenwünschen zu tun.
„In den neunziger Jahren kamen auf einmal Humidore im Auto auf.“ Diese seien im Fond der S-Klasse anstelle des Bordkühlschranks individuell eingebaut worden. Was wohl gar nicht so einfach war. Geiselhart: „Wir wussten ja nicht, welche Art von Zigarren der Kunde bevorzugt.“ Also wurden in der eigenen Schreinerei die Vertiefungen so ausgefräst, dass die edlen Stumpen bei scharfen Bremsungen nicht aus der Fassung kullerten. Und sogar Sonderanfertigungen für Kunden von Weltruhm seien in Sindelfingen entstanden.
Designo-Interieur mit Naturstein der Farbe Star galaxy für die S-Klasse Foto: Mercedes-Benz AG
„Soweit ich mich erinnere, hat Michael Jackson einmal ein schwarzes S-Klasse-Coupé bestellt – mit grünem Leder im Innenraum.“ Das blieb ihm vor allem deshalb im Kopf, da die Farbe des Leder ganz profan „flaschengrün“ hieß. Wer es mag. Ein Schwerpunkt der Manufaktur seien tatsächlich Lederarbeiten: Bestellt ein Kunde ein ausgefallenes Dekor, werden Sitze, Armaturen und sogar des Lenkrad von Hand genäht. Die Wünsche gehen bis hin zu Stickereien des eigenen Familien- oder Adelswappens in der Kopfstütze.
Unvergessen blieben Geiselhart die elf S-Klassen, die König Hussein von Jordanien einst orderte. „Er bestellte ausfahrbare Trittbretter an der Unterseite und Holme zum Festhalten für seine Leibgarde.“ Heute sind die Wünsche von Staatenlenkern weniger ausgefallen, doch Standarten für die Staatsbeflaggung sind beinahe alltäglich. In wesentlich größeren Stückzahlen kommen Bestellungen von Polizeikräften auf dem ganzen Erdball.
Frühes Autotelefon im W 140 und violettes Leder Foto: Mercedes-Benz AG
„Die iranische Polizei hat es uns mal besonders schwer gemacht: Weil sie drei verschiedene Funkgeräte-Standards mit jeweils unterschiedlichen Hörern benötigt hat“, erinnert er sich. Und dann auch noch mit arabischen Schriftzeichen. Oder der ehemalige russische Staatspräsident Boris Jelzin, der einen Aufenthalt in Baden-Baden nutzte, um eine Order für die Moskauer Polizei zu platzieren: Die einzige Polizei, die jemals in der S-Klasse Streife fuhr.
Mit seinen 55 Jahren ist Geiselhart noch lange nicht im Rentenalter. Bis es soweit ist, könnte er die fünf Jahrzehnte unter dem Stern noch vollmachen. Er gibt sich da zuversichtlich: „Die knacke ich.“
Jubilarfeiern im Werk
Feste Auf vier Feiern ehrt Mercedes-Benz im Sindelfinger Werk das Jahr über seine Arbeitsjubilare. Den Auftakt machen rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an diesem Freitag im Mercedes Event Center.
Zahlen Insgesamt 2100 Beschäftigte gehören dem Werk seit mehr als 25 Jahren an. Bei den über 40-jährigen Dienstzeiten sind es immer noch über 1000. Darunter sind in diesem Jahr sechs Mitarbeiter, die bereits seit 50 Jahren im Werk beschäftigt sind.
Programm Bei den Feiern gibt es laut Mercedes kulinarische Höhepunkte, Showeinlagen, Comedy und Musik.