Region: Verena Mayer (ena)
Bevor Sie CIO wurden, waren Sie der Sicherhe itschef der deutschen Sparkassen-IT. Kurz nach Ihrem Weggang sind in ganz Deutschland KSK-Bankautomaten ausgefallen, und die Kunden konnten kein Geld mehr abheben. Haben Sie bei Ihrem ehemaligen Arbeitgeber so eine große Lücke gerissen?
Aus meiner Sicht war dieser Vorfall die erste relevante Krisensituation nach 15 Jahren. Es wäre eine Illusion zu glauben, ich hätte sie verhindern können.
Die Ursache für die Automaten-Ausfälle war angeblich eine „recht flächendeckende Netzwerkstörung“. Aber: Was ist wiederum die Ursache dafür gewesen?
Das weiß ich nicht. Aber nach meiner Einschätzung aus der Ferne ist es kein Angriff, sondern ein technisches Problem gewesen.
Sie haben früher außerhalb der Firma nicht über Ihre Arbeit gesprochen. Hatten Sie Angst, sich angreifbar zu machen?
Hauptsächlich bin ich mit meinem Job im privaten Umfeld deshalb nicht hausieren gegangen, weil ich irgendwann die Frage „Ist Onlinebanking eigentlich sicher?“ nicht mehr hören konnte. Deshalb habe ich sogar immer wieder zu einer Notlüge gegriffen und behauptet, dass ich in Hannover Parkplätze verwalte.
Dafür hätten Sie doch nicht in Hannover sein müssen?
Das bekam ich auch oft zu hören. Aber dann habe ich den Leuten Fotos vom Messegelände in Hannover gezeigt und sie gefragt: Gibt es irgendwo auf der Welt mehr Parkplätze als hier? Meiner Frau war das manchmal unangenehm, irgendwann habe ich dann keine Angaben mehr zu meinem Berufsleben gemacht.
Als das Land Ihre Stelle ausgeschrieben hat, gab es einige Skeptiker: Mit einem Monatsgehalt von 10 000 Euro könne man nicht den Experten locken, den man für diese Aufgabe brauche. Sie haben sich trotzdem locken lassen. Warum?
Ich habe in jungen Jahren beim Land Baden-Württemberg eine hervorragende Ausbildung bekommen. Nun habe ich die Chance, etwas zurückzugeben. Das war für mich ein sehr wichtiger Punkt. Als erster hauptberuflicher CIO habe ich zudem die Chance, etwas komplett Neues aufzubauen. Das habe ich in meiner bisherigen Laufbahn immer wieder gemacht, so etwas reizt mich immer. Und wegen des Geldes: Tatsächlich ist es so, dass es in der freien Wirtschaft die Möglichkeit gibt, mehr zu verdienen. Ich habe allerdings keine Sorge um meinen Lebensstandard.
Ihre Kollegen in den Ministerien finden es nicht so reizvoll, dass Sie ihnen die IT-Kompetenz nehmen. Wie heftig ist der Widerstand?
Sagen wir so: Das sind Diskussionen, die zu führen sind. Aber das ist normal bei Veränderungs- und Bündelungsprozessen. Ich will das Thema mit Schwung, aber ohne Hast und mit gesundem Menschenverstand angehen. Dabei bin ich grundsätzlich diskussionsbereit. Wir fangen jetzt mal mit den low hanging fruits an, und dann sehen wir, wie das Ganze läuft.
Low hanging fruits?
Die einfachen Dinge eben. Dass man alle E-Mail-Postfächer, die das Land seinen Mitarbeitern zur Verfügung stellt, von der BITBW verwalten lässt zum Beispiel. Oder dass man Dinge wie den Helpdesk standardisiert. Natürlich gibt es in den einzelnen Häusern spezielle Fachverfahren. Hier wird öfter diskutiert, inwieweit eine Bündelung der IT für diese Verfahren sinnvoll ist. Diese Frage wird sich aber erst zu einem späteren Zeitpunkt stellen, wenn wir über sehr viele Erfahrungswerte verfügen.
Sie haben den Rang eines Ministerialdirektors. Ihre Kollegen in anderen Bundesländern dürfen sich Staatssekretär nennen oder sogar Minister. Wäre eine höhere Position bei Ihren „Diskussionen“ hilfreich?
Hierarchie spielt eine Rolle – aber ich habe einige Sonderrechte. Unter anderem das Vortragsrecht im Kabinett. Ich glaube, der Erfolg meiner Mission wird nicht an der hierarchischen Einstufung hängen.
Ihr CIO-Kollege beim Bund verfügt über ein Startkapital von 35 Millionen Euro. Was haben Sie bekommen?
Startkapital habe ich im ersten Schritt nicht bekommen. Dieses Thema ist aber noch in der Diskussion.
Was würden Sie mit 35 Millionen anstellen?
Eine solche Summe wäre für das Land überdimensioniert. Aber es ist natürlich so, dass die BITBW einiges aufbauen muss, bevor sie die erwünschten Einsparungen generieren kann. Mit einer Art Anschubfinanzierung könnte ich die technische Infrastruktur verbessern oder in die Ausbildung von Kollegen investieren.
Wie schätzen Sie Ihre Erfolgsaussicht ein?
Ich sehe den Dingen positiv entgegen. Aber wer weiß: Vielleicht reden wir in einem Jahr wieder, und ich muss sagen: Ich bin nur gegen Wände gelaufen.
Haben Sie Anzeichen dafür, dass die Wände hier besonders dick sind?
Nein! Ich glaube, dass es mir gemeinsam mit meinen Kollegen Ministerialdirektoren gelingt, der IT-Neuordnung in den kommenden Monaten erheblich mehr Konturen zu geben.