Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)


Wurde über Doping offen gesprochen?
Nein. Die Spielregeln waren eindeutig: Doping ist ein privates Thema. Unter vier Augen geht viel, unter sechs Augen nicht, damit es keine Zeugen gibt. Außerdem waren wir zwar Kollegen, aber auch Kontrahenten, denen man nicht unbedingt erzählte, wenn man eine super Dosierung hatte.

Hatten Sie nie Angst um Ihre Gesundheit?
Das habe ich mir sicher ein bisschen schöngeredet. Aber ich habe sensibel auf Wachstumshormone reagiert und verhältnismäßig wenig genommen. Mit Epo konnte ich nur in Mikrodosen arbeiten, da mein natürlicher Hämatokritwert relativ hoch ist.

Ihr Zimmerkollege Bernhard Kohl hat mit Eigenblut gedopt. Wollten Sie das auch?
Manche Fahrer hatten ein ganz anderes Setup. Als ich gesehen habe, was das ausmachen kann, hat sich natürlich in meinem Kopf etwas abgespielt. Mir war aber das Prozedere nicht ganz geheuer, das war mir zu gefährlich.

Bei der Tour de France 2008 haben Sie dennoch zwei Zeitfahren gewonnen.
Ich hatte ein ziemlich schlechtes Frühjahr, mit Krankheiten und Stürzen, ich war fast schon depressiv und habe von den Teamärzten Stimmungsaufheller bekommen. Eigentlich wollte ich bei der Tour gar nichts machen, da dort die Gefahr des Auffliegens größer als bei anderen Rennen ist, das war mir zu heiß. Dann hieß es, dass Cera nicht nachweisbar sei. Es war zu verlockend, um es nicht zu nehmen.

Waren Sie süchtig nach Dopingmitteln?
Nur in dem Sinne, dass ich das mentale Gefühl hatte: Ich brauche Doping, um konkurrenzfähig zu sein. Wenn du im Finale weißt, dass du alles getan hast, um Erfolg zu haben, beflügelt das. Mit Doping gab es keine Ausreden. Ohne Doping denkst du vielleicht: Ich habe nicht das gemacht, was andere machen – und schon fehlt dir vielleicht der letzte Biss, weil du dich im Nachteil fühlst. Und klar, einen Effekt hat es ja auch, vielleicht bei mir zwei Prozent mehr Leistung. Radsport ist auch mit Doping brutal und hart, aber du bist eben etwas besser. Statt 15. wirst du vielleicht Erster.

 

Stefan Schumacher hat viel gewonnen, Etappen beim Giro d’Italia, Etappen bei der Tour de France. WM-Dritter in Stuttgart. Alles mit Doping. Er war nicht alleine, praktisch kein Sieger des vergangenen Jahrzehnts war sauber, davor wahrscheinlich auch nur selten. Ist der Radsport zu retten? Vielleicht ist er nicht der Richtige für diese Frage, aber er hat klare Vorstellungen. Rahmenbedingungen müssten sich ändern, das extreme Gehaltsgefälle etwa, die Streckengestaltung der großen Rundfahrten. Dazu müsste, so sagt er, viel mehr mit Psychologen, Trainern und Biomechanikern gearbeitet werden: „Doping ist nicht der einzige Weg zur Leistungssteigerung.“