Die Aufräumarbeiten nach dem Abriss des Stegs zur Frauenkirche in Esslingen ziehen sich in die Länge. Zweifel an der Notwendigkeit der drastischen Massnahme bleiben.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Ist dieser drastische Schritt wirklich notwendig gewesen? Diese Frage beschäftigt viele Esslinger nach den Erfahrungen, die das Abbruchunternehmen am Wochenende mit der Beseitigung des Stegs zur Frauenkirche gemacht hat. Denn anders als prognostiziert, hat sich der Steg, der auf Höhe des Münsters St. Paul über den Altstadtring führte, als ausgesprochen widerstandsfähig gezeigt. Nur in zeitraubender Kleinarbeit ist es gelungen, die Spannstahlbetonkonstruktion aus dem Jahr 1973 in ihre Einzelteile zu zerlegen.

 

Eigentlich hätten die letzten Spuren der Brücke bereits am Samstag verschwunden sein sollen. Doch auch am Montag musste der Altstadtring noch gesperrt bleiben, weil sich Schuttmassen dort auftürmten, wo zuletzt noch der Steg gestanden hatte. Die Vollsperrung der Berliner Straße soll nun am Mittwoch um 14 Uhr aufgehoben werden. Busse werden erst von Donnerstag an wieder über die Ringstraße fahren.

Überraschung über guten Zustand der Brücke

Die Stadt teilt mit, dass bis dahin im Bereich der drei massiven Wandpfeiler weitere Aufgrabungen und Erdarbeiten ausgeführt werden müssen. Dazu muss der Straßenaufbau bis zur Oberkante der jeweiligen Fundamente freigelegt werden, um Bewehrungseisen und Betonreste zu entfernen. Anschließend müssen diese Bereiche wieder verfüllt, gepflastert und asphaltiert werden. Auch sind Ausbesserungsarbeiten an der Mittelinsel sowie am Randstreifen unumgänglich.

Bei der Stadt sieht man auch nach dem Abriss keinen Grund, an der Notwendigkeit der Steg-Beseitigung zu zweifeln. „Ein bereits im Jahr 2010 erstelltes Gutachten eines externen Prüfers hat uns schon damals dringend empfohlen, den Steg abzureißen, weil er nicht mehr verkehrssicher sei und abbröckelnde Betonteile auf den Altstadtring fallen könnten“, betont der Sprecher der Stadt, Roland Karpentier. Deshalb habe man damals als Sofortmaßnahme die Brücke gesperrt und in regelmäßigen Abständen nach schadhaften Stellen auf der Brücke geschaut.

In der Tat sei die Verwaltung überrascht davon gewesen, in welch gutem Bauzustand sich der Steg in seinem Kern noch befunden haben. Ein Rückschluss darauf, dass möglicherweise auch der geplante Abriss und Neubau der drei großen Esslinger Neckarbrücken vielleicht gar nicht so dringend notwendig sei, wie bisher behauptet, könne man aus den Erfahrungen am Frauenkirchensteg nicht ziehen.

Die Neckarbrücken gelten mittelfristig als einsturzgefährdet

Die Neckarbrücken gelten aufgrund von Untersuchungen, aber auch aufgrund des Zustands anderer in den 1960er-Jahren bundesweit gebauter und mittlerweile abgerissener Spannstahlbetonbrücken als mittelfristig einsturzgefährdet. In der Tat, so Karpentier, könne niemand trotz punktueller Probebohrungen wirklich in die Brücken hineinblicken und definitiv sagen, wie deren Zustand sei. Das Risiko, dass eine Brücke aber tatsächlich irgendwann zusammenbreche, könne und wolle die Stadtverwaltung nicht eingehen. Deshalb werde an dem mittelfristig und teilweise auch erst langfristig geplanten Neubau der Schleyer-, der Adenauer- und der Vogelsangbrücke nichts vorbeiführen.

Auch für die Frage, warum auf der Baustelle am verkehrsarmen Sonntag nicht gearbeitet worden ist und damit die Chance vertan wurde, den Altstadtring früher freizugeben, hat Roland Karpentier eine Antwort: Man habe auf die Anwohner und die benachbarten Kirchen Rücksicht nehmen wollen, die durch den Baustellenlärm am Freitag und Samstag extrem belastet worden seien.