Seit Jahren warnen Politiker, dass der Anstieg der Mieten sozialen Sprengstoff birgt. Doch am Trend hat das nichts geändert. Millionen von Haushalten geben bis zur Hälfte und mehr ihres Nettoeinkommens für die Miete aus.

Berlin: Tobias Heimbach (toh)

Millionen Menschen in Deutschland müssen einen hohen Anteil ihres Einkommens für die Miete ausgeben. Das zeigen aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Rund 1,5 Millionen Haushalte gaben im vergangenen Jahr die Hälfte und mehr ihres Nettoeinkommens für die Kaltmiete aus. Strom, Gas und Wasser sind dabei nicht inbegriffen.

 

Weitere 1,6 Millionen Haushalte geben zwischen 40 und 50 Prozent ihres Nettoeinkommens aus, um sich ihre Wohnung leisten zu können. Damit müssen in Summe 3,1 Millionen Haushalte mit einer weit überdurchschnittlichen Mietbelastung zurechtkommen. Das ist in etwa jeder sechste, denn insgesamt gibt es laut Bundesamt 19,9 Millionen Mieterhaushalte in Deutschland. Als Daumenregel gilt, dass nicht mehr als ein Drittel des Nettoeinkommens für das Wohnen aufgewendet werden soll. Besonders betroffen sind Menschen in Großstädten und diejenigen, die nach 2019 einen Mietvertrag abgeschlossen haben, zeigt die Statistik. Die durchschnittliche Mietbelastung liegt nach Zahlen der Wiesbadener Behörde bei rund 27,8 Prozent. Tatsächlich ist der Durchschnitt in dem Bereich von begrenzter Aussagekraft, da es große regionale Unterschiede gibt.

Die Zahlen verdeutlichen die schwierige Situation auf dem Wohnungsmarkt. Und Experten sind sich einig, dass sich die Lage nicht so schnell entspannen wird. Das hat eine Reihe von Gründen.

Zunächst gibt es schlicht zu wenige Wohnungen in Deutschland, die Lücke wird auf rund 700 000 geschätzt. Trotz der hohen Nachfrage wird weniger gebaut. Das liegt an den höheren Preisen für Baumaterial wie Holz und Stahl. Auch der Fachkräftemangel auf dem Bau ist ein anhaltendes Problem.

Größte Bremse für den Wohnungsbau sind allerdings die gestiegenen Zinsen. Um die Investitionen in den Wohnungsbau zu refinanzieren, seien Kaltmieten von 18 Euro pro Quadratmeter nötig, sagen Immobilienunternehmen. Doch das kann sich kaum jemand leisten. Deshalb brach der Wohnungsbau zuletzt auch massiv ein. Die Branche rechnet damit, dass in diesem Jahr 200 000 Wohnungen gebaut werden – die Hälfte von 400 000, die sich die Bundesregierung als Ziel gesetzt hat.

Der Zinsanstieg verschärft auch die Lage auf dem Mietmarkt. Viele, die ein Haus oder eine Wohnung kaufen wollten, wurden vom Zinsanstieg kalt erwischt. Plötzlich konnten sie sich die monatlichen Raten nicht mehr leisten. All diese Menschen drängen zusätzlich in den Mietmarkt, die Nachfrage steigt weiter. Die Preise und damit die Belastungen für Mieter auch. Doch wie lässt sich die Preisspirale am Wohnungsmarkt stoppen?

Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, hat eine Reihe von Vorschlägen. „Ein differenzierter Mietenstopp im Bestand, Scharfstellung der Mietpreisbremse, Ahndung von Wuchermieten, Abschaffung oder zumindest Deckelung von Indexmieten. All dies würde die Not auf dem Mietmarkt lindern“, sagte er unserer Zeitung. Er sieht Justizminister Marco Buschmann (FDP), der für Mietrecht zuständig ist, in der Pflicht. Eigentlich sei es Buschmanns Aufgabe, die entsprechenden Gesetze endlich anzugehen, sagte Siebenkotten – doch weil nichts passiert sei, müsse Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das Thema zur Chefsache machen. „Da sich im Bundesjustizministerium diesbezüglich aber leider gar nichts tut, ist es an der Zeit für den Bundeskanzler, sich mithilfe seiner Richtlinienkompetenz einzuschalten und Abhilfe zu schaffen“, sagte Siebenkotten.

Auch das Bauministerium kritisiert Buschmanns Haus dafür, dass im Koalitionsvertrag verabredete Maßnahmen wie die Verlängerung der Mietpreisbremse nicht umgesetzt werden. „Das ist äußerst erklärungsbedürftig“, sagte eine Sprecherin.

Die Opposition fordert mehr Anstrengungen der Bundesregierung. Caren Lay, Sprecherin für Wohnungspolitik der Linkspartei im Bundestag, sagte unserer Zeitung: „Alles, was die Koalition bisher zustande gebracht hat, ist eine leichte Erhöhung des Wohngeldes. Aber das lindert bestenfalls die Symptome. Das Wohngeld nimmt das Geld der Steuerzahler und finanziert damit die Mietpreisexplosion.“