Wer sich angesichts der Debatte um Fahrverbote für ein E-Auto entscheidet, muss vor allem eines haben – Geduld. Denn wenn er ein solches Gefährt kaufen will, kann es schwierig werden.

Stuttgart - Es bedarf wohl keiner seherischen Fähigkeiten, um zu ahnen, dass das Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts die Zahl der Dieselneuzulassungen in Deutschland weiter verringern wird. Zu Beginn der VW-Dieselaffäre war noch jedes zweite neu zugelassene Auto ein Diesel, diesen Januar nur noch jedes dritte laut Statistiken des Kraftfahrtbundesamts. Die Elektromobilität macht das aber nicht automatisch zum Gewinner. Das liegt weniger an der Nachfrage, sondern am zeitnah verfügbaren Angebot.

 

Viele Autobauer kommen mit der Produktion von Elektroautos schlichtweg nicht hinterher. So müssen Käufer eines Hyundai Ioniq ein ganzes Jahr auf ihr neues Auto warten, räumt eine Sprecherin des südkoreanischen Herstellers ein.

Aber auch beim Elektro-Smart, der nicht erst per Schiff aus Asien importiert werden muss, sieht es nicht viel besser aus. Wer ihn heute bestellt, muss bis Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres warten, heißt es aus dem Daimler-Konzern. Bei einem Smart oder Mercedes mit Verbrennungsmotor beträgt die Lieferzeit dagegen im Schnitt nur drei Monate. „Die sehr hohe Nachfrage beim Smart Electric Drive übertrifft unsere Planungen weit“, erklärt ein Daimler-Sprecher. Man arbeite nun intensiv daran, die Lieferzeiten für das begehrte Elektroauto zu verkürzen, das im Januar in Deutschland das meistgefragte Vehikel seiner Art war. Mit welchen Methoden das geschieht oder bis wann welche Lieferzeit erreicht werden soll, wollen die Stuttgarter aber nicht sagen.

Experten rechnen mit jahrelangen Engpässen

Ferdinand Dudenhöffer erklärt die 2aktuelle Situation damit, dass der VW-Abgasskandal eine völlig neue Ausgangslage geschaffen habe. „Davon wurden alle überrascht, auch die Autobauer und Batteriehersteller, die jetzt vor einem großen Nachfrageüberhang stehen“, erklärt der Automobilexperte. Über Nacht könne man die Produktion von Elektromobilen aber nicht hochfahren, was vor allem auch an der Zulieferung von Batteriezellen liege. „In den nächsten zwei Jahren müssen wir mit Engpässen leben“, prognostiziert Dudenhöffer, Gründer und Direktor des Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen.

Das mag bei einem Modell wie dem Hyundai Ioniq noch hinnehmbar sein, das unter den in Deutschland verkauften Stromern mit 189 Neuzulassungen im Januar kein Bestseller ist. Betroffen sind aber fast alle begehrten Elektroautos – nicht nur der Elektro-Smart mit zuletzt 729 monatlichen Neuzulassungen. Beim E-Golf, mit 450 Neuzulassungen die Nummer zwei in der heimischen Elektrohitparade, betragen die Lieferzeiten mindestens acht Monate. Beim beliebten Renault Zoe (299 Neuzulassungen) sind es fünf bis sechs Monate.

VW fährt Extraschicht

VW steuert beim E-Golf nun mit der Einführung einer zweiten Produktionsschicht dafür im Dresdner Werk entgegen. Künftig sollen dann mit täglich 70 doppelt so viele Elektromodelle vom Band rollen. Auch VW will nicht sagen, bis wann der E-Golf welche Lieferzeiten erreicht. Hyundai greift indessen zu einem Notnagel und bietet jedem Kunden, der einen vollelektrischen Ioniq bestellt, zur Überbrückung der einjährigen Wartezeit eine Hybrid-Variante für 149 Euro monatlich zur Miete an.

Selbst beim sonst chronisch mit Lieferproblemen kämpfenden Elektropionier Tesla sieht es besser aus als im Schnitt der Branche. Für die hochpreisigen Elektromodelle S und X nennt Tesla in Deutschland Lieferzeiten von drei bis vier Monaten. Gleiches gilt für den vollelektrischen Opel Ampera und den BMW i3. Auch bei Wagen mit Verbrennungsmotor dieser Hersteller müssen Kunden im Schnitt so lange warten. Hier hinkt die Produktion von Stromern also nicht hinterher.

Zuliefererkette als Handicap

BMW begründet das mit der inzwischen gut dreijährigen Erfahrung bei der Produktion von Elektroautos. Den i3, von dem 2017 weltweit 31 500 Fahrzeuge verkauft wurden, gibt es seit Ende 2013. Mit im Januar 210 Neuzulassungen rangiert er auch unter den fünf in Deutschland meistgefragten E-Autos.

BMW widerspricht für den eigenen Konzern auch entschieden einer Vermutung, die Automobilexperte Stefan Bratzel äußert. Dieser glaubt, dass es nicht die infolge der eskalierenden Diesel-Krise gestiegene Nachfrage nach Elektroautos allein ist, die nun für eine mangelnde Produktion sorgt. An Autos mit Verbrennungsmotor – speziell an hochmotorisierten Geländewagen – sei viel mehr verdient als an einem Stromer mit seinen hohen Entwicklungskosten. Auch deshalb hätten Autobauer bei ihrer Elektropalette wohl nicht allzu großzügig geplant. Nun sei ein schnelles Hochfahren schon wegen der Zulieferkette schwierig, sagt Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Auf große Elektrostückzahlen sei mit wenigen Ausnahmen, wie etwa BMW, kaum ein Konzern eingestellt.

Wie Dudenhöffer rechnet auch Bratzel mit jahrelangen Engpässen – die Hersteller mit größerer Elektroerfahrung wohl schneller in den Griff bekämen als solche, die Elektromobilität erst vor Kurzem für sich entdeckt hätten.