Die Steinheimer Stadtarchivarin will Geschichten an die Menschen bringen und Geschichte lebendig halten. Nun hat sie ihren zweiten Krimi vorgelegt. In „Domm Gloffa“ lässt sie wieder ihre Bühnenfigur Frau Nägele schwäbisch schlagfertig ermitteln.

Ob als Buch, Film oder Fernsehfilm, Helga Becker verschlingt sie alle: Kriminalstorys. Fast, denn auf drei Dinge legt sie besonderen Wert: Humor, Klugheit, Raffinesse. „Miss Marple? Super! Hitchcock? Absolut“, sagt die Kabarettistin und Stadtarchivarin von Steinheim und schmunzelt. „Auch ‚Mord in bester Gesellschaft’, wo Fritz Wepper als Psychiater skurrile Fälle löst, Leute außergewöhnlich ums Leben kommen. Ich habe Inspiration auf vielen Ebenen.“ Ihr neuestes „Baby“? Mitte August erschien – ein Jahr nach dem Erstling „Scho wege de Leut’“ – „Domm gloffa“, ihr zweiter Krimi, in dem „Frau Nägele ermittelt“.

 

Das gibt Helga Becker schon seit Jahren auf den Bühnen der Region und darüber hinaus. So schlagfertig wie witzig äußerst sie sich ungefragt auf gut Schwäbisch zu allen Themen, die ihr am Herzen liegen. Zunächst entwickelte Becker die Kunstfigur für ihre Stadtführungen – als patente Reinigungskraft, die alles hört, jeden kennt und frech, frank, frei Geschichte und Geschichten vermittelt. „Wer weiß schon besser über alles Bescheid als die Putzfrau und die ‚Perle des Archivs’?“ Bald lud dann „D’Frau Nägele“ als Reblaus durch die Weinberge, als Jägermeisterin ins Fetzenhardt und „stogglde“ auf Walking Touren. Ein Riesenerfolg, der es dann zum Solo mit verschiedenen Schwerpunkten schaffte. Als „Frau Nägele macht Blau“ rezitierte Becker Gedichte und Storys von Sebastian Blau alias Josef Eberle, ehedem Herausgeber der Stuttgarter Zeitung. In „Mandolinen und Mondschein“ spürte sie schlagfertig und hochmusikalisch im Petticoat als hochblond toupiertes Fräuleinwunder den 1950er und 60ern nach. Ihr Wissen über gute Tropfen und die Region gießt sie in „Durch’s Weinglas betrachtet“ in Gläser und Gurgeln. Und in „Do schnallsch ab!“ geht es um sprachliche Absurditäten wie Körperoptimierung, Kindererziehung als Challenge, Aging Workforce, Prime Time, Brainstorming, Coaching. „Diese ‚Sprachverschluderung‘, die uns einlullt, hat mich zunehmend genervt“, sagt die Mundartkünstlerin.

Helga Becker hat nun das passende Programm zum Krimi

Nun gibt es auch das passende Programm zum Krimi in bester „Whodunit“-Manier, damit das Publikum bis zum Schluss miträtseln kann. In „Fahndung läuft!“ verrät die „schwäbische Miss Marple“ ihr kriminalistisches Wissen, das sie durch ihr jahrelanges Krimistudium erarbeitet hat, ans Publikum. Nicht im langen britischen Tweedrock, sondern mit Brezel-Gürtelschnalle im schwarzem Catsuit à la Emma Peel. Zur Erinnerung: Das war die Agentin aus „Mit Schirm, Charme und Melone“, die Bondgirl Diana Rigg unvergleichlich mimte. „Das Leben ist eine große Fahndungsaktion“, so Becker mit Verve zur Show. „Nägele horcht an Türen, beobachtet, hinterfragt neugierig und misstrauisch Dinge, schwätzt mit Menschen, zählt eins und eins zusammen, kombiniert messerscharf. Als moderne Ermittlerin betreibt sie einen Blog im Netz.“ Und macht Musik: Becker singt Krimimelodien von „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“ über Falcos „Kommissar“ bis „Layla“ – mit neuen Texten aus ihrer Feder.

„Ich hatte schon immer Lust, selbst einen Krimi zu schreiben, mir über die Jahre kleine Szenen ausgedacht mit witziger Hauptfigur.“ Ehe sie sich versah, sei so ihre Frau Nägele von der Bühne ins Buch und Verbrechen gesprungen – handfest, unerschrocken, etwas schnoddrig, immer eine Nasenspitze vor dem Kommissar. „Ihr großes Netzwerk hilft, wenn sie Leute ‚hälingen’ ausfragen muss. Dank ihren Freundinnen, der Pathologin und der Apothekerin, kann sie schnell was im Labor prüfen lassen. Wie ich im richtigen Leben ist die Hobbydetektivin Archivarin.“

Helga Becker verarbeitet gerne historische Stoffe

Ihres Berufs wegens verarbeite sie gerne auch historische Geschichten. Ihre Mission – nicht „impossible“, wie ihr voller Terminkalender zeigt – ist: Geschichte, Kultur und Zeichen der Zeiten aus Sicht der Menschen lebendig, mitreißend und humorvoll zu vermitteln. Tiefe Recherche? Das Lebenselixier der „Hausherrin“ des Museums zur Kloster- und Stadtgeschichte von Steinheim! Dort kann sie aus dem Vollen schöpfen: Aus einem Fundus an Urkunden und Verträgen, die bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts zurückreichen, aus alten Zeitungsausgaben, Büchern zu historischen und aktuellen Themen, aus Bild- und Tonmaterial! Das sind nicht nur Zahlen und Fakten. Die Dokumente liefern auch Blicke in die Conditio Humana und allzu Menschlichem von Zweckehen, Pfründen und Schenkungen bis zu kommunalen Vorbehalten und hitzige Diskussionen. So wie sie etwa Anfang der 1970er bei der Eingemeindung der Stadtteile Kleinbottwar und Höpfigheim geführt wurden. In letzterem lebt die gebürtige Murrerin seit 24 Jahren. „Ein Steinheimer hätte früher nie eine Murrerin geheiratet!“, feixt sie zu ihrem Mann, Fotograf Richard Becker. Mit ihm machte die Künstlerin, die nach dem Abitur in ihres Vaters Werkstatt Drechslerin lernte, mehrere Bücher, porträtierte etwa deutsche Drechselkünstler sowie Südtiroler Architektinnen in „Frauen bauen“.

Helga Becker arbeitet bereits am dritten Krimi

Und nun schreibt sie Krimis, just schon am dritten Band. „Das macht m’r oifach saumäßig Spaß!“ Apropos, im aktuellen „Domm gloffa“ entdeckt Nägele im Hardtwald bei einer Gästeführung einen Toten, stößt so auf eine alte Familiengeschichte inklusive Seilschaften vor Ort. „Alle haben Dreck am Stecken, müssen das dann auch büßen.“ Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Die Komik kommt nicht zu kurz. Becker lacht glockenhell: „Frau Nägele tappt in jedes Fettnäpfle. Aber die sind ja oft aussagekräftig.“