Die Verteilungskämpfe zwischen den Interessenvertretern der Schularten in Baden-Württemberg sind bereits in vollem Gange. Die Lehrerverbände wollen für ihre jeweilige Schulart retten, was zu retten ist.

Stuttgart - Den Schulen stehen Stellenstreichungen in erheblichem Umfang bevor. Wenn die Schülerzahlen sinken, muss sich das in den Lehrerstellen niederschlagen, fordern Rechnungshof wie Finanzpolitiker. Noch ehe es konkrete Vorschläge gibt, gehen die Lehrerverbände in Kampfposition und wollen für ihre Schularten retten, was zu retten ist. Einig sind sie sich nur in ihren Angriffen gegen das Kultusministerium.

 

Die Verwirrung ist groß: Sind es nun 12 600, 14 100, 11 600, 8050 oder 3547 Lehrerstellen, die bis 2020 gestrichen werden sollen? Jeder rechnet anders, aber jeder Verband befürchtet, ihn treffe es am härtesten. Der Philologenverband (PhV), der die Interessen der Gymnasiallehrer vertritt, protestiert massiv gegen die Streichung von 11 600 Lehrerstellen. Um den Zahlenwirrwarr komplett zu machen, bringt der PhV weitere 1500 Stellen ins Spiel, die den herkömmlichen Schularten verloren gingen, weil sie in den nächsten zwei Jahren an die neuen Gemeinschaftsschulen umgeschichtet werden sollten.

680 Stellen müssten allein die Gymnasien an die Gemeinschaftsschulen abgeben, klagt Bernd Saur, der Landesvorsitzende des PhV. Schon zum September kämen den Gymnasien so 130 Stellen abhanden. Der Verband rechnet anders. „Am Gymnasium sinken die Schülerzahlen nicht, sie steigen“, betont Saur. Die Übergangsquote sei um vier Prozent angestiegen. In den fünften und sechsten Klassen wären mehr Lehrer zur individuellen Förderung notwendig. Es fehle an Krankheitsvertretern, und die Gymnasiallehrer hätten bereits Überstunden im Gegenwert von 1400 Stellen geleistet. Saurs Fazit: „Es gibt keinerlei Spielraum für Stellenstreichungen am Gymnasium.“

Jugendliche brauchen wohnortnahes Berufsschulangebot

Das übertrumpft der Berufsschullehrerverband. Dessen Chefin Margarete Schaefer meldet eine Überstundenbugwelle von mehr als 2000 Deputaten und wie seit Jahren ein strukturelles Unterrichtsdefizit von vier Prozent. Sie erinnert Grüne und SPD an die Enquetekommission zur beruflichen Bildung aus dem Jahr 2010. Damals hatten beide Parteien dafür plädiert, den beruflichen Schulen drei Jahre lang jeweils zusätzlich 400 Lehrerstellen zu geben. Nun würden Stellen gestrichen. Während die Gymnasien klagen, sie müssten für die Gemeinschaftsschulen bluten, sieht Schaefer die beruflichen Schulen im Hintertreffen gegenüber den allgemein bildenden Schulen. 25 Stellen müssten sie allein für das Programm „Singen-Bewegen-Sprechen“ an Grundschulen abgeben. Für Schaefer zeichnet sich ab, „dass mit rigiden Steuerungsmaßnahmen das Bildungsangebot auf dem flachen Land eingeschränkt werden soll“. Die Vermutung liegt nahe. Kleine Schulen brauchen überproportional viele Lehrer. Schaefer mahnt aber, „ein wohnort- und betriebsnahes Berufsschulangebot“ sei für die Jugendlichen wie für die Ausbildungsbetriebe unabdingbar.

Die Klagen der Berufsschullehrer bezweifelt wiederum die GEW-Vorsitzende Doro Moritz schon lange recht unverhohlen. Ihre Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft operiert mit 12 600 zu befürchtenden Stellenstreichungen. Dann müssten die kleinen Grund- und Hauptschulen geschlossen werden, kritisiert Moritz. Für sie ist es keine Frage, „in der ganzen Legislaturperiode bis 2016 gibt es keine Gründe, auch nur eine einzige Lehrerstelle zu streichen“. Wohnortnahe Grundschulen, kleinere Klassen, echte Ganztagsschulen und eine bessere Unterrichtsversorgung ließen das nicht zu. Damit sind die Verbände einig mit den Bürgern. Die hatten in einer von der Regierung in Auftrag gegebenen Umfrage zu 78 Prozent dafür plädiert, mehr Geld in die Schulen zu investieren. Am moderatesten äußert sich noch der Verband Bildung und Erziehung (VBE). Sein Vorsitzender Gerhard Brand mahnt „Sparwut tut selten gut“ und warnt davor, den Anschein zu erwecken, bei den Lehrerstellen drohe nun „ein Kahlschlag ungeheuren Ausmaßes“.

Kultusministerin plant Studie zur Lehrerverteilung

Tatsächlich ist noch nicht klar, wie gespart werden soll. Das Kultusministerium bestätigt jedoch, dass es 11 600 Stellen seien, die bis zum Jahr 2020 gestrichen werden sollen. 8050 tragen bereits den Vermerk „kw“, für künftig wegfallend. 3500 Stellen werden für die Qualitätsoffensive Bildung benötigt und müssen an anderer Stelle eingespart werden. Möglicherweise geht der Einstieg in das Streichkonzert schneller als erwartet. Es heißt, dass die Kommission Haushalt und Verwaltung, die dem Ministerrat Sparvorschläge präsentierten soll, bereits im kommenden Jahr 1700 Stellen streichen will. Die Zahl ist jedoch noch nicht beschlossen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat die Devise ausgegeben, „mehr Bildung für das gleiche Geld“ anzubieten. Wie das erreicht werden soll, daran tüftelt das Kultusministerium. „Wir wollen Effizienzsteigerung und Innovation mit neuen Instrumenten zusammenbringen“, sagte die Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) auf Anfrage. Es würden verschiedene Arbeitsgruppen eingesetzt, in die auch externe Berater berufen werden sollen. Wie ein Sprecher des Kultusministeriums erklärte, ist auch eine Studie zum Verfahren der Lehrereinstellung und der Lehrerverteilung in der Diskussion.