Die Familientradition im Blick: Christof Bosch vor dem Porträt seines Großvaters Robert Bosch Foto: dpa/Frank Leonhardt
Robert Boschs soziale und gesellschaftspolitische Überzeugungen gelten seinen Nachfolgern bis heute als Leitlinie. In den massiven Stellenstreichungen sieht der Betriebsrat nun einen Traditionsbruch. Eine historische Überprüfung.
Hinweis: Dieser Text stammt vom Februar 2024. Bereits damals hatte der Konzern angekündigt, weitreichend Stellen zu streichen. Weltweit ging es dabei bis vor kurzem um etwa 9000 Stellen. Nun verkündete der Bosch-Konzern am 25. September 2025, dass weitere 13.000 Stellen in Deutschland abgebaut werden - die meisten davon in Baden-Württemberg. Hier lesen Sie die neusten Entwicklungen.
Boschler sind von Haus aus stolz. Es ist ein Grundgefühl, das sich wie ein roter Faden durch die Büros und Werkhallen beim weltweit größten Automobilzulieferer zieht und seine 428 000 Mitarbeiter auf besondere Weise miteinander verbindet. Der kollektive Stolz ist das Erbe des Firmengründers und wird bei der Robert Bosch GmbH von einer Belegschaftsgeneration zur nächsten weitergegeben.
Das Unternehmen samt Stiftung tut auch viel, die Erinnerung wachzuhalten. Eindrucksvoll geschieht das auf der Stuttgarter Gänsheide, wo die Privatvilla von Robert Bosch mit viel Aufwand im Originalzustand erhalten wird. Sie dient nicht nur als Museum, sondern auch als stimmungsvolle Kulisse für Firmenveranstaltungen. Ein weiteres Bekenntnis zur Geschichte ist die Besetzung von Aufsichtsrat und Stiftung, wo der Robert-Bosch-Enkel Christof Bosch die Interessen der Familie vertritt.
Alles beginnt 1886 in einer kleinen Hinterhofwerkstatt im Stuttgarter Westen. Dort wagt sich Robert Bosch mit 24 Jahren in die Selbstständigkeit. Zuvor hatte der Sohn eines Gastwirts aus dem Ort Albeck bei Ulm eine Mechanikerlehre gemacht und sich danach gezielt bei damals technisch fortschrittlichen Betrieben weitergebildet. Unterstützt wird Bosch von einem Gesellen und einem Lehrling. Anfangs werden elektrische Türklingeln installiert und erste Telefonanlagen angeschlossen.
Angefangen in einer kleinen Hinterhofwerkstatt
Aus dem Nichts macht Robert Bosch seine Firma zum Weltunternehmen. Der von ihm entwickelte Magnetzünder war das fehlende Teil für die gerade entstehende Autoindustrie. Aber nicht allein Mut, Erfindergeist und kaufmännisches Geschick machten Robert Bosch zum Übervater und Schutzheiligen seines Unternehmens. Durch Wertschätzung, Verantwortungsbewusstsein und Fürsorge gegenüber seiner Belegschaft wird er Vorbild einer sozialen Marktwirtschaft. Dafür steht ein Satz von Robert Bosch in ganz besonderer Weise: „Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne bezahle.“ Es ist ein Zitat, das zur DNA des Unternehmens gehört wie der faire Umgang zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat.
Dass nun ausgerechnet dieser Betriebsfrieden in Gefahr ist, bringt das von Robert Bosch gelegte Fundament ins Wanken. Betriebsratschef Frank Sell hat jüngst im Interview von einem „Kulturwandel“ gesprochen und der Geschäftsführung mit dem von der Belegschaft bisher geschätzten Stefan Hartung an der Spitze „brachiale Gewalt mit hohem Tempo“ vorgeworfen. Es ist die Reaktion auf die innerhalb kurzer Zeit scheibchenweise angekündigten Streichungen von 7000 Stellen. Dass der Umbau sozialverträglich gestaltet werden und der globalen Entwicklung der Technologiebranche Rechnung tragen soll, ändert nichts an der Grundsatzkritik von Arbeitnehmerseite. Und es ist die Identifikationsfigur Robert Bosch, auf die sich der Betriebsratschef bezieht, wenn er eine andere Strategie vom weiterhin schwarze Zahlen schreibenden Konzern fordert.
Was zu den Fragen führt, wie viel Robert Bosch noch in dem seinen Namen tragenden Unternehmen steckt und wie wohl der Gründer auf die heutigen Herausforderungen reagieren würde? Die Antwort fällt in den Bereich von Wolfram Pyta. Doch bevor sich der angesehene Professor und Leiter der Abteilung für Neuere Geschichte am Historischen Institut der Universität Stuttgart dazu äußert, schickt er voraus: „Mir steht es nicht zu, die aktuelle strategische Vorgehensweise des Konzerns zu beurteilen.“ Ihm fehlten dazu die Einblicke. Was die Person Robert Bosch betrifft, sieht das aber anders aus.
Hätte Robert Bosch staatliche Hilfe angenommen?
Pyta hat die Arbeit seines Kollegen Peter Theiner an dessen Robert-Bosch-Biografie eng begleitet und selbst ein Buch über die Geschichte der Firma Porsche verfasst. „Robert Bosch war ein völlig neuer Typ Unternehmer und der Gegenentwurf zu den damals vorherrschenden Schlotbaronen“, sagt Wolfram Pyta und nennt die Einführung des Achtstundentags, die Zahlung der höchsten Löhne „avantgardistisch“. Eine Ausnahmeerscheinung erkennt der Historiker in Robert Bosch auch mit Blick auf die NS-Zeit: „Selbst da blieb er seiner sozialen und staatsbürgerlichen Verantwortung treu.“ Pyta hebt dabei Boschs Rolle als eine Art Schutzpatron für die Verfolgten des NS-Terrors unter seinen Mitarbeitern hervor und die Unterstützung des Widerstands.
Und dann schlägt Wolfram Pyta den Bogen in die Gegenwart, wenn er meint, dass Robert Bosch wohl niemals staatliche Hilfe angefordert hätte, um unternehmerische Probleme zu lösen. Also das, was Konzernchef Stefan Hartung zuletzt getan habe. „Robert Bosch vertraute seiner Innovationskraft und nicht darauf, dass ihm die Politik den Weg ebnet.“ Und was die Auseinandersetzung mit dem Betriebsrat betrifft, meint Pyta: „Robert Bosch pflegte eine Verhandlungskultur auf Augenhöhe. Daraus entwickelte sich eine Kompromisskultur.“