Was passiert, wenn ein global agierender Computer-Algorithmus die Überbevölkerung als Gefahr für die Menschheit ausmacht? Stephan R. Meier hat das Undenkbare zu Ende gedacht und daraus einen Thriller gestrickt.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Stuttgart - Es ist ein brandaktuelles Thema: Wie viel von meinen persönlichen Daten gebe ich frei und mache ich digital zugänglich? Was bedeutet es, wenn auf einem anonymen Server meine Trainings- und Gesundheitsdaten der vergangenen Jahre gespeichert sind? Und wie viel Verantwortung geben wir an die immer selbstständiger agierenden Computer ab? Dürfen Kernkraftwerke per Internet zugänglich sein und gesteuert werden? Was ist mit der Strom- und Wasserversorgung ganzer Städte und Landstriche? Wohl und Wehe der Digitalisierung werden heiß diskutiert und sind zurzeit häufiger Thema der Belletristik, kürzlich etwa in „Der Circle“, in dem Dave Eggers die Konsequenzen der digital gläsernen Existenz des Individuums dem Leser drastisch vor Augen geführt hat.

 

Stephan R. Meier geht in seinem Erstling „Now“ deutlich weiter und denkt die Idee der totalen Digitalisierung zu Ende. Zwei langjährige Freunde und Arbeitskollegen haben gemeinsam eine Art Super-Algorithmus entwickelt und programmieren lassen, eine künstliche Intelligenz, die sich Zugriff verschaffen kann auf alles, was sich denken lässt: Gesundheitsdaten, Bewegungsprofile, Bankkonten, Stromnetze, Kraftwerke – eben alles, was über einen Internetzugang erreichbar ist. Einmal von der Leine gelassen, erkennt „Now“, so der Name des Super-Algorithmus, als wesentliche Bedrohung der Menschheit die Überbevölkerung – und zieht drastische Konsequenzen.

30 Jahre später ist die Menschheit zweigeteilt. 100 Millionen nach optimalem genetischem Material ausgesuchte Menschen leben im perfekten Paradies, der Rest vegetiert in der Wildnis, organisiert sich in Clans und bewegt sich kulturell auf dem Niveau von Höhlenmenschen. „Now“ hat zwischenzeitlich die Qualität eines HAL 9000 mit Internetanschluss und agiert ebenso wohlmeinend wie unerbittlich. Doch wie so oft in den Science-Fiction-Stories reicht ein kleines, falsch laufendes Rädchen im Getriebe, um die neue Weltordnung in ihren Grundfesten zu erschüttern.

Am Ende gehen die Seiten aus

Stephan R. Meier ist ein flott geschriebener Thriller gelungen, der allerdings wenig mit den dystopischen Visionen eines Philip K. Dick zu tun hat, sondern eher an die Weltuntergangsblockbuster des Hollywood-Regisseurs Roland Emmerich erinnert. Störend ist lediglich, dass Meier offenbar am Ende die Seiten ausgegangen sind. Was breit angelegt mit mehreren Handlungssträngen beginnt und gelegentlich die liebenswerte Geschwätzigkeit eines Frank Schätzing erreicht, endet nach gut 400 Seiten ziemlich plötzlich mit einer augenzwinkernden Wendung, in dem der wildgewordene Algorithmus einmal mehr nur das tut, wofür er programmiert wurde. Da wurde leider jede Menge Potenzial verschenkt.

Stephan R. Meier: Now – Du bestimmst, wer überlebt. Penguin Verlag München 2017. 432, Paperback, Klappenbroschur, 13 Euro. Auch als E-Book, 9,99 Euro.