Einen Kurzroman und drei mehr oder weniger gelungene Erzählungen bietet Stephen Kings jüngste Veröffentlichung „Blutige Nachrichten“. Sie lohnt sich vor allem für Fans der hartnäckigen Detektivin Holly Gibney.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Stuttgart - Holly Gibney ist zurück! Die ebenso seelisch labile wie tapfere Detektivin, die ursprünglich mal als Nebenfigur in Stephen Kings Bill-Hodges-Trilogie erschienen ist, hat sich zu einer Lieblingsheldin des amerikanischen Horrorautors gemausert. Sie steht im Mittelpunkt des Kurzromans „Blutige Nachrichten“, der zugleich Kings jüngstem Werk den Titel gibt. Es handelt sich um eine Sammlung von vier Geschichten, es ist die vierte ihrer Art nach „Frühling, Sommer, Herbst und Tod“, „Vier nach Mitternacht“ und „Zwischen Nacht und Dunkel“.

 

Holly Gibneys neuester Fall, so viel verrät bereits der Klappentext, knüpft an das Buch „Der Outsider“ an: An einer Schule richtet eine Bombe ein Massaker an, Holly verfolgt die Berichterstattung im Fernsehen und fühlt sich beim Reporter vor Ort an den gestaltwandelnden Outsider erinnert, den sie im gleichnamigen Buch zusammen mit den Polizisten Ralph Anderson zur Strecke gebracht hat. Oder eben doch nicht?

Ein faustischer Pakt in einer einsamen Hütte

„Blutige Nachrichten“ ist eine kurze und knackige Episode aus dem Universum des zwischenzeitlich verstorbenen Detektivs Bill Hodges, dessen Erbe Holly Gibney angetreten hat. Der Leser erfährt einiges über Hollys Kindheit und Jugend, der Fall läuft einigermaßen glatt ab, auch wenn man bei Stephen King nie weiß, ob nicht doch jemand Überraschendes das Zeitliche segnet. Ob der Kurzroman nur Episode darstellt oder die Brücke bildet zu weiteren „blutigen Nachrichten“ aus der Welt der Outsider, bleibt offen.

Die drei weiteren Kurzromane (früher hießen die ja noch Novellen) fallen gegenüber „Blutige Nachrichten“ deutlich ab, vielleicht abgesehen von „Ratte“. Die Geschichte eines Schriftstellers mit Schreibblockade, der in einer einsamen Hütte einen faustischen Pakt eingeht, entwickelt einen eigentümlichen Sog, weil ab einem bestimmten Zeitpunkt unklar ist, wohin die Handlung steuert.

In zwei Geschichten wird viel Potenzial verschenkt

„Mr. Harrigans Telefon“ erinnert in Rhythmus und erzählerischer Distanz an in jüngerer Zeit erschienene Erzählungen wie „Gwendys Wunschkasten“ und „Erhebung“: Ein eigentlich origineller Grundgedanke und eine interessante Handlung werden letztlich nicht wirklich auserzählt. Aus allen drei Geschichten hätten epische Romane entstehen können – da ist viel Potenzial verschenkt worden.

Weitgehend ratlos lässt den Leser „Chucks Leben“ zurück. Die drei Teile bleiben episodenhaftes Stückwerk, als das sie wohl laut Kings Schlusswort auch entstanden sind. Stellt man die jüngste Veröffentlichung in eine Reihe mit den anderen Novellensammlungen, die Stephen King in den vergangenen Jahrzehnten verfasst hat, ist „Blutige Nachrichten“ wohl die schwächste von allen. Für Fans bietet sie neues Lesefutter, aber so richtig zünden nur zwei der vier Erzählungen.

Stephen King: Blutige Nachrichten. Heyne Verlag 2020. Hardcover, 24 Euro.