Sterne-Restaurant in Baiersbronn Barocke Opulenz im Bareiss

Claus-Peter Lumpp kocht seit 40 Jahren im Restaurant Bareiss – seit 2007 wird er dafür mit drei Michelin-Sternen gewürdigt Foto: www.guenterstandl.de/www.guenterstandl.de

Claus-Peter Lumpp (58) macht nicht jeden Trend mit. Der Sternekoch setzt unbeirrt auf Haute Cuisine.

Leben: Susanne Hamann (sur)

Auf dem Boden liegt eine Kabeltrommel, darin ist ein Bügeleisen eingesteckt. „Auf jedem Tisch liegen bei uns drei Tischdecken aufeinander. Die obersten beiden werden an Ort und Stelle gebügelt“, erklärt Thomas Brandt (56), der Maître des Drei-Sterne-Restaurants Bareiss in Baiersbronn. Sobald der Damast perfekt glatt liegt, wird eingedeckt.

 

In der Mitte des Raumes prangt ein riesiges Bukett aus Flamingopflanzen, Ranunkeln und Tulpen. Das Arrangement könnte auch das Bundespräsidialamt standesgemäß schmücken. Für die Gäste stehen hellblau bezogene Louis-seize-Stühle bereit.

Für die Handtaschen gibt es kleine Schemelchen. In diesem Lokal geht es um mehr als um Nahrungsaufnahme, hier wird Kochkunst in barocker Opulenz inszeniert.

Küchenchef mit drei Michelin-Sternen

Jeder Controller würde den Aufwand rügen. „Es geht um Tischkultur. Das Flair ist wichtig“, sagt Claus-Peter Lumpp. Der mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnete Küchenchef schätzt die Kunst zu genießen. „Alles wird hektischer und anonymer. Wir sind ein Relikt, eine heile Welt, ein ruhender Pol.“

Lumpp passt zum Bareiss wie der Deckel auf den Kochtopf. 40 Jahre arbeitet er hier, nibelungentreu. „Hermann Bareiss hatte die Weisheit, schon 1982 in ein Restaurant zu investieren“, sagt Lumpp. Auch nach vier Jahrzehnten erfolgreicher Zusammenarbeit siezen sich die beiden Herren. Claus-Peter Lumpp ist kein Freund des Duzens: „Nur früher beim Gleitschirmfliegen war ich per Du.“ Heute übt er das Hobby nicht mehr aus, sondern findet Entspannung bei Gartenarbeiten.

Kronjuwel des Hauses

Neben der guten Idee hatte Bareiss senior den finanziellen Atem, die Sache durchzuhalten. Denn ein Restaurant auf diesem Niveau, so sagt man, schreibt am Anfang lange Zeit rote Zahlen. Heute ist es das Kronjuwel des Hauses: 1984 gab es den ersten Stern, 1985 den zweiten.

Seit 1992 leitet Claus-Peter Lumpp die Küche und konnte 1993 mit 28 Jahren als damals jüngster Koch in Deutschland die zwei Sterne bestätigen. Seit 2007 leuchten ständig drei Sterne über dem Lokal.

Vom hoffnungsvollen Jungkoch zum Kochstar

Zu seinem Beruf kam Lumpp durch Zufall. Als seine Familie von Wannweil nach Horb umzog, fühlte er sich in der neuen Klasse nicht wohl. Nach dem Realschulabschluss ging er lieber von der Schule ab und begann eine Ausbildung. Ebenso zufällig landete er im Kurhotel Mitteltal, das inzwischen auf den Namen der Besitzerfamilie umgetauft wurde.

Nach der Ausbildung schickte Hermann Bareiss (78) seinen hoffnungsvollen Jungkoch zur Weiterbildung durch halb Europa. Lumpp hospitierte unter anderem in München bei Heinz Winkler im Tantris und bei Eckart Witzigmann in der Aubergine, in Zürich in den Kunststuben bei Horst Petermann, in Monte Carlo bei Alain Ducasse im Louis XV.

„Mein Stil hat sich aus der französischen Küche entwickelt“, sagt der Drei-Sterne-Koch. Unbeirrt und stur bleibt er dabei. „Ich bin ein bissle altbacken“, sagt der 58-Jährige und lächelt verschmitzt. „Traditionell, nicht altbacken“, sagt Juniorchef Hannes Bareiss (42). Klassisch-französisch ist inzwischen moderner denn je.

Vielfältige Kulinarik

In der Kulinarik wird alle paar Jahre eine neue Sau durchs Dorf getrieben. Brutal-regional, nordisch, vegan oder molekular – Claus-Peter Lumpp beobachtet das mit Interesse. Frisch und nachhaltig kocht er schon immer, lange bevor das in Mode kam.

Das Restaurant Bareiss verwendet gerne regionale Produkte: Der Saibling aus dem Buhlbach hat einen Weg von kaum fünf Kilometern zurückgelegt, bis er auf dem Teller landet. Es gibt Wild, geschossen im Schwarzwald von Hannes Bareiss persönlich. Das Lammfleisch stammt von einem Schäfer auf der Schwäbischen Alb.

Als die Molekularküche aufkam, hat Lumpp kurz überlegt mitzumachen. „Zum Glück haben wir es nicht getan“, erzählt der Sternekoch. „Warum soll man eine Erbse entsaften, um die Flüssigkeit dann wieder künstlich in Form zu bringen?“

Solange der 58-Jährige in dieser Küche das Sagen hat, wabert kein Trockeneisnebel unter Speiseglocken hervor und man muss das Essen nicht mit Bockshornklee statt Pfeffer schärfen. Er verwendet Lebensmittel, die der Gast auf den ersten Blick auf dem Teller erkennt: Kalbsfilet, Trüffeln, Rehrücken, Entenleberpastete.

Klassiker auf der Karte

Auf der Karte des Bareiss stehen viele Klassiker, die von den Stammgästen fleißig nachgefragt werden. Steinbutt zum Beispiel. Den gibt es je nach Jahreszeit mit Morcheln, Pfifferlingen oder Steinpilzen. „Man setzt ja auch keinen Brillanten auf einen Eisenring“, begründet Lumpp seine Affinität zu hochwertigen Zutaten. Natürlich blickt der Koch auch über den Tellerrand. Seine Grüße aus der Küche sind vergleichsweise experimentell: Melone mit orientalischen Gewürzen, thailändisches Curry mit Basmatireis, Sushi-Variationen.

„Ich bin erst erfolgreich, seit ich aufgehört habe zu kochen“, scherzt Claus-Peter Lumpp. Aufgehört zu kochen hat er natürlich nicht, aber er betreute früher einen eigenen Posten, wie man in der Profiküche sagt, und war zuständig für die Fischgerichte. Dann konzentrierte er sich darauf, der Dirigent zu sein.

Neun Köche und sechs Mitarbeiter im Service

„Ich richte an, mache das Finish und gehe jedem zur Hand, wo nötig.“ Neun Köche und sechs Mitarbeiter im Service kümmern sich um 25 Gäste. „Das Team ist wichtig. Man zieht sich gegenseitig mit. Mit Belastung kann man am besten umgehen, wenn einer gute Laune verbreitet“, sagt Lumpp. „Er ist ein Teamplayer und wird irgendwann den Staffelstab weitergeben“, sagt Hannes Bareiss über seinen Chefkoch. Ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin muss aber erst noch aufgebaut werden.

Das Renommee und der Glanz des Drei-Sterne-Tempels adeln auch die anderen gastronomischen Angebote im Haus. Wer nicht 265 Euro für das große Degustationsmenü ausgeben möchte, kann auch in den Dorfstuben ausgezeichnete Linsen mit Spätzle und Saitenwürstle für 16 Euro essen.

Immer eine Reise wert

„Solch ein Restaurant wie das unsere ist eine Reise wert, nicht nur einen Umweg“, sagt Juniorchef Hannes Bareiss. Er erzählt von Besuchern aus Schanghai, New York oder Hongkong. Vor Corona war das. Jetzt kommen vor allem Deutsche, Schweizer, Franzosen.

Claus-Peter Lumpp hat die Zwangspausen genutzt, um Zeit mit seiner Frau und der zehnjährigen Tochter zu verbringen. Er unternahm lange Spaziergänge mit Bloom, einer schokobraunen Labradorhündin.

„Eine kreative Pause war das nicht. Dazu müsste ich auf den Markt gehen, Produkte kosten, bei Kollegen vorbeischauen.“ Nach den jeweiligen Lockdowns konnte sich das Feinschmeckerlokal vor Anfragen kaum retten. „Durch die Pandemie haben sich viele besonnen, wie schön es ist, essen gehen zu können.“

Info: Sterneküche in Deutschland

Derzeit gibt es 9 Restaurants, die mit der höchsten Qualitätsbewertung von 3 Michelin-Sternen ausgezeichnet sind: Schwarzwaldstube in Baiersbronn, Restaurant Bareiss in Baiersbronn, Rutz in Berlin, Waldhotel Sonnora in Dreis, The Table Kevin Fehling in Hamburg, Victor’s Fine Dining by Christian Bau in Perl, Restaurant Überfahrt Christian Jürgens in Rottach-Egern, Aqua in Wolfsburg, Schanz Restaurant in Piesport.Mit zwei Sternen ausgezeichnet sind hierzulande 46 Restaurants, mit einem Stern schmücken sich 272 Restaurants. https://guide.michelin.com/de/de

Reise

Weitere Themen

Weitere Artikel zu Sternekoch Kochen Essen Restaurant