Die OECD hat eine Studie veröffentlicht, die global agierenden Unternehmen eine sinkende Steuermoral bescheinigt. Zunehmend entstehe der Eindruck, nur naive Bürger zahlten überhaupt Steuern, warnt die Wirtschaftsorganisation.

Berlin - Politik und internationale Organisationen werfen internationalen Konzernen vor, das Steuerrecht auszuhöhlen und Gewinne in Steueroasen zu verlagern. Die Wirtschaftsorganisation OECD in Paris hat eine Studie veröffentlicht, die global agierenden Unternehmen eine sinkende Steuermoral bescheinigt. In den vergangenen Jahren sei der Eindruck entstanden, dass internationale Konzerne geschickt alle Möglichkeiten zur Reduzierung der Steuerlast ausnutzten, so die OECD. Die Verlierer seien Privatpersonen sowie kleine und mittlere Unternehmen, deren wirtschaftliche Aktivitäten sich auf den Heimatmarkt beschränkten. In der Öffentlichkeit herrsche die Meinung vor, Abgaben würden nur von naiven Steuerzahlern entrichtet, heißt es in der Untersuchung. Diese Diagnose sei alarmierend. Die OECD fordert Gegenmaßnahmen.

 

Der Untersuchung kommt große Bedeutung zu, da sie von Finanzministern der großen Industrie- und Schwellenländer (G 20) in Auftrag gegeben wurde. Die Finanzminister wollen über das weitere Vorgehen gegen Steuervermeidung bei ihrer Tagung am Wochenende in Moskau beraten. Nach der Empfehlung der OECD könne das Problem nur gelöst werden, wenn sich Industrie- und Schwellenländer auf gemeinsame Mindeststandards einigen. Noch in diesem Jahr sollen sich die G 20 auf einen Handlungsplan verständigen, rät die OECD. Auf strengere Vorschriften dringen vor allem Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Die Finanzminister der drei Länder beschlossen, gegen den aggressiven Steuerwettbewerb vorzugehen. Auch die US-Regierung zeigte sich offen für eine stärkere Zusammenarbeit.

Multis zahlen oft gar keine Steuern

Der OECD-Generalsekretär Angel Gurría teilte mit, viele Steuerregeln seien dafür gedacht, multinationale Unternehmen vor einer Doppelbesteuerung zu schützen. „Allzu oft zahlen diese Unternehmen dann aber gar keine Steuern“, sagte Gurría. Die britische und die deutsche Regierung werfen Konzernen wie Google, Apple, Amazon und Starbucks vor, an ihren Auslandsstandorten kaum Steuern zu entrichten. Die OECD wurde deshalb beauftragt, Vorschläge zu erarbeiten, wie eine gleichmäßige Besteuerung hergestellt werden kann.

Die OECD kommt zum Ergebnis, dass das internationale Steuerrecht mit der Globalisierung der Wirtschaft nicht Schritt gehalten hat. Das gelte beispielsweise für digitale Angebote von Unternehmen. Mit Hilfe des Internets könnten Unternehmen mit Kunden ins Geschäft kommen, ohne am Wohnsitz des Kunden Steuern entrichten zu müssen. Steuerexperten weisen darauf hin, dass sich zum Beispiel Anbieter von elektronischen Büchern (E-Books) in Ländern mit niedrigeren Steuersätzen ansiedeln und von dort aus Kunden in anderen Ländern beliefern. Gerade Großkonzerne hätten die Möglichkeit, Steuerschlupflöcher auszunutzen. Dadurch könnten sie Steuerzahlungen ganz vermeiden oder beträchtlich mindern, heißt es in der Untersuchung.

OECD: Der Wettbewerb ist in Gefahr

Die OECD sieht dadurch den Wettbewerb in Gefahr. Während internationale Konzerne ihre Steuern „gestalten“ könnten, hätten auf den Heimatmarkt ausgerichtete Betriebe das Nachsehen. Dies untergrabe die Steuermoral. Die OECD schlägt vor, innerhalb der nächsten sechs Monate Gegenmaßnahmen zu beschließen. Notwendig sei es, gemeinsame Regeln gegen Steuermissbrauch zu definieren. Außerdem soll es steuerliche Mindeststandards für finanzielle Transaktionen innerhalb von Konzernen geben. Die OECD hält es für erforderlich, dass sich Industrie- und Schwellenländer auf gemeinsame Grundlagen verständigen. Dies könne zu mehr Transparenz führen. Inzwischen gebe es mehr als 3000 bilaterale Steuerabkommen.

Nach den Daten der OECD ist das Aufkommen aus Unternehmenssteuern in den vergangenen Jahren gesunken. Diese Entwicklung sei auch darauf zurückzuführen, dass Länder wie Großbritannien und die Vereinigten Staaten die Firmensteuersätze reduzierten. Bis 2007 lag der Anteil der Unternehmenssteuern noch bei durchschnittlich mehr als zehn Prozent des gesamten Steueraufkommens eines Landes. Im Jahr 2010 betrug der Anteil nur noch knapp neun Prozent. Grund dafür war auch die Finanz- und Wirtschaftskrise.