Steuerberater und Anwälte sollen Modelle zur Steuergestaltung bald dem Finanzamt melden. Die Standesorganisationen protestieren. Die FDP sieht eine Benachteiligung der Freien Berufe.

Berlin - Im Windschatten der deutschen Regierungsbildung haben die EU-Finanzminister eine Regelung auf den Weg gebracht, die Steuerzahler und ihre Berater noch lange beschäftigen wird. Für Steuerpflichtige und ihre Berater soll es eine Anzeigepflicht von Steuergestaltungen geben. Das bedeutet, dass Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Anwälte den Finanzämtern „aggressive Gestaltungen“ melden müssen. Nach der EU-Richtlinie sind davon nur grenzüberschreitende Steuergestaltungen betroffen. Die meisten Bürger wären davon nicht berührt. Die Länderfinanzminister wollen aber erreichen, dass auch die Steuersparmodelle, die auf Deutschland beschränkt sind, dem Fiskus angezeigt werden. Das beschloss jüngst die Finanzministerkonferenz. Die Freien Berufe sind alarmiert. Raoul Riedlinger, Präsident der Bundessteuerberaterkammer, wandte sich mit einem Schreiben an die Finanzminister: „Berater hätten in jedem Fall Inhalte ihres Beratungsgesprächs zu offenbaren, die Teile ihrer beruflichen Tätigkeit sind.“ Die Steuerberater halten eine Anzeigepflicht für nationale Steuergestaltungen für verfassungswidrig. Das wäre unvereinbar mit der geschützten Vertraulichkeit des Mandantenverhältnisses, heißt es in einem von der Kammer in Auftrag gegebenen Gutachten der Kölner Steuerrechtlerin Johanna Hey.

 

FDP kritisiert Angriff auf Berufsgeheimnis

Der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar teilt die Bedenken. „Der Gesetzgeber umgeht den Schutz des Berufsgeheimnisses“, sagte Toncar unserer Zeitung. Die Liberalen kritisieren, dass der Staat seine Kernaufgaben den Freien Berufen aufbürdet. „Berater werden zu unfreiwilligen und unbezahlten Helfern der Behörden gemacht“, so Toncar. Die Bundesregierung verspricht sich davon mehr Steuergerechtigkeit. Wenn die Steuerbehörden über schnell über Steuergestaltungen informiert werden, könnten Lücken im Steuerrecht geschlossen werden, erklärte das Bundesfinanzministerium. Das ist auch die Stoßrichtung der EU-Regelung: Der Fiskus soll rasch auf unerwünschte Steuergestaltungen reagieren können.

Nach der EU-Richtlinie müssen grenzüberschreitende Gestaltungen gemeldet werden, wenn bestimmte Anhaltspunkte vorliegen. Dazu gehört etwa, dass eine Auslandszahlung über Empfänger in Niedrigsteuergebieten abgewickelt wird. Auch Auslandsgeschäfte, die über Länder mit niedrigen Geldwäschestandards getätigt werden, sind anzeigepflichtig. Der FDP-Abgeordnete hält die Abgrenzung für schwierig. „Es lässt sich kaum trennscharf sagen, was eine aggressive Steuersparmöglichkeit ist“, meinte Toncar. „Die Folge wird sein, dass im Zweifel jedes Modell gemeldet wird“, sagte der FDP-Politiker.

Die EU-Richtlinie muss 2020 in nationales Recht umgesetzt werden. Sie legt aber fest, dass die Regelungen rückwirkend zum 13. März 2018 gelten. An diesem Tag beschlossen die EU-Finanzminister die Richtlinie. Damit sind die Berater faktisch gehalten, mit der Erhebung meldepflichtiger Steuermodellen sofort zu beginnen. Die Steuerberaterkammer sieht eine Belastung im Verhältnis zum Kunden. „Wegen weniger schwarzer Schafe werden nun im Ergebnis alle Steuerpflichtigen per se der aggressiven Steuergestaltung verdächtigt“, erklärte Kammerpräsident Riedlinger. Auf diese Weise werde ein ganzer Berufsstand lahm gelegt.

Probleme bei Umsetzung sind absehbar

Offen ist, wie die Finanzverwaltung die Pläne umsetzt. Nach der EU-Richtlinie sind zwar künftig prinzipiell die Entwickler und Vermarkter von Gestaltungsmodellen anzeigepflichtig. Das trifft aber nicht zu, wenn wie bei Steuerberatern und Rechtsanwälten in Deutschland nationale Verschwiegenheitspflichten gelten. In diesem Fall müssen die Bürger und Unternehmen, welche die Gestaltung nutzen, eine Meldung an die Finanzverwaltung abgeben. In der Regel wird der Steuerpflichtige damit seinen Berater beauftragen. Damit ist aber absehbar, dass die Finanzämter mit einer Flut von Meldungen überschwemmt werden. „Das bindet auf Seiten der Verwaltung nur unnötige Ressourcen, die uns an anderer Stelle im Kampf gegen Steuervermeidung fehlen“, sagte Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU). Er plädiert dafür, dass die Anbieter von Gestaltungen ihre Modelle anonym an die Finanzämter melden – und zwar nationale und internationale Steuergestaltungen. Die Steuerbehörden könnten dann reagieren.

Wie es weitergeht, entscheidet der neue Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Der Koalitionsvertrag bekennt sich zur Umsetzung Maßnahmen gegen Steuervermeidung. In der Union werden Sorgen laut, dies führe zu neuer Bürokratie. Die SPD pocht auf strikte Regelungen. Das baden-württembergische Finanzministerium unterstützt die Maßnahmen für mehr Steuergerechtigkeit. Es müsse aber darauf geachtet werden, dass die Umsetzung für die Verwaltung praktikabel sei, sagte eine Ministeriumssprecherin.