Ein Thesenpapier soll eine baden-württembergische Bundesratsinitiative des Landes vorbereiten, die bisherige Hemmnisse im Steuerrecht beseitigt.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Erst tiefrote Zahlen, dann auf einmal sprudelnde Gewinne – der Lebenszyklus eines Start-ups bietet größere Überraschungen und Schwankungen als bei einem normalen Unternehmen. Zudem sind Start-ups stärker als andere Gründer auf externe Investoren angewiesen, die mit einem deutlich höheren Risiko agieren als sonstige Geldanleger. Seit Jahren gibt es deshalb seitens der Start-ups die Klage, dass das deutsche Steuerrecht auch im Vergleich mit dem Ausland die Realität nicht abbildet – etwa den anfangs sehr hohen Investitionsbedarf.

 

Das baden-württembergische Wirtschaftsministerium möchte das ändern und hat deshalb einen Reformkatalog skizziert, der unserer Zeitung vorliegt. Zunächst will man das Projekt in der Koalition und mit dem Landesfinanzministerium absprechen. Dann soll daraus eine Bundesratsinitiative werden. Es ist das bisher umfassendste Programm zu einer Start-up-Steuerreform, das in einem Bundesland erarbeitet wurde. „Es ist unbestritten, dass sich hier etwas tun muss, wenn Deutschland in diesem Zukunftsfeld nicht noch mehr ins Hintertreffen geraten will“, sagt Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut.

Steuerzahlungen können dringend nötige Liquidität austrocknen

Die Vorschläge zielen vor allem darauf ab, dass nicht genau in dem Moment, wo ein Start-up nach oft hohen Anfangsinvestitionen endlich Gewinne macht, auf einmal der Fiskus zuschlägt. Die nötige Liquidität ist bei den schnell wachsenden Unternehmen nämlich ein Schlüsselproblem. Wenn der Staat zu früh Geld entzieht, kann es das Aus bedeuten. Auch die bei Start-ups übliche Methode, Mitarbeiter in der Anfangsphase nicht nur mit Geld, sondern mit Unternehmensanteilen zu bezahlen, soll im Steuerrecht berücksichtigt werden. Bislang müssen die Mitarbeiter diese Anteile sofort als geldwerten Vorteil versteuern – mit Ausnahme eines kleinen Freibetrages von 360 Euro – obwohl sie deren Wert noch gar nicht in der Tasche haben.

Aber auch Investoren brauchen nach Meinung des Wirtschaftsministeriums weitere Anreize. Das Konzept sieht deshalb beispielsweise vor, dass Gewinne aus dem Verkauf von Start-up-Anteilen steuerfrei bleiben sollen, sofern das Geld in voller Höhe gleich wieder in ein anderes Start-up investiert wird. Man will auch an die bisherige Ungleichbehandlung von Eigen- und Fremdkapital herangehen. Letzteres spielt bei Start-ups eine überdurchschnittliche Rolle, wird aber etwa bei der Anrechnung des Zinsaufwandes bis jetzt schlechter behandelt. Auch der im Steuerrecht übliche Weg, spätere Gewinne mit früheren Verlusten zu verrechnen, ist trotz einer Reform im Jahr 2016 weiterhin schwierig. Es ist weiterhin vorgeschrieben, dass das Start-up seinen Geschäftszweck nicht ändern darf, was aber häufig vorkommt. Auch bei der Gewerbe- und der Umsatzsteuer sieht das Konzept Entlastungen vor. Bei der Mehrwertsteuer soll das etwa dadurch geschehen, dass diese Abgabe bis zu einer höheren Umsatzgrenze erst abgeführt werden muss, wenn Kunden eine Rechnung auch bezahlt haben.

Entlastungen auch für Risikokapitalfonds

Auch für Risikokapitalfonds gibt es im Umsatzsteuerrecht einige Widerhaken. So muss in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Verwaltung dieser Fonds Mehrwertsteuer gezahlt werden. Das Papier des Wirtschaftsministeriums fordert, auch an solchen Details die Stellschraube zu drehen. Im Übrigen, so heißt es in dem Papier, könnten von einigen Änderungen auch etablierte Unternehmen profitieren.

Offen ist noch, welche Steuerausfälle im Detail für Bund, Länder und Kommunen damit einhergehen würden – bei Letzteren deshalb, weil das umfassende Konzept auch die Gewerbesteuer mit einbezieht. Das Wirtschaftsministerium will damit argumentieren, dass hier jeder Euro effektiver eingesetzt ist, als denselben Betrag als Fördergeld zu vergeben.