Darf sich ein Verein politisch äußern? Nachdem das Ludwigsburger Finanzamt dem Demoz die Gemeinnützigkeit aberkannt hat, sind viele Vereine verunsichert. Was hat es damit auf sich? Wir haben den Steuerrechtler Matthias Alber befragt.
Ludwigsburg - Das Ludwigsburger Finanzamt hat dem Demoz im November die Gemeinnützigkeit aberkannt. Unter anderem mit der Begründung, der Verein sei nicht für alle offen, weil er ausdrücklich Rassisten, Rechtsradikale und Antisemiten ausschließe. Die Behörde verpasse dem Verein einen Maulkorb, schimpften daraufhin Bürger und Mitarbeiter anderer Kulturvereine. Das Demoz hat Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt. Inzwischen aber sind weitere Entscheidungen gegen ähnliche Gruppen, etwa in Berlin bekannt geworden. Was hat es damit auf sich? Die Vereine sind verunsichert. Das Finanzamt darf sich nicht öffentlich äußern, wir haben darum den Steuerrechtler Matthias Alber befragt.
Nein, sagt Professor Alber. „Ein Verein, der sich der Volksbildung verschrieben hat, muss ja seinen Zweck wahrnehmen können“, sagt der an der Ludwigsburger Fachhochschule für Verwaltung lehrende Experte. Dazu gehöre nun einmal das Reden über Politik. Bedenklich werde es erst, wenn ein Verein zu agitieren beginne und konkret politisch handle, wie es nach Ansicht von Alber bei Attac geschehen ist. Dass der Verein Personen ausschließe, die sich nicht auf der Grundlage der Verfassung bewegen, könne man ihm nicht vorwerfen.
Der Gesetzestext wurde jedenfalls nicht angetastet. „Die Grundlagen für die Gemeinnützigkeit sind nicht verändert und schon gar nicht verschärft worden“, sagt Alber. In Bezug auf das Ludwigsburger Demoz erklärt er: „Wenn der Verein 40 Jahre lang als gemeinnützig galt, sollte er auch die nächsten 40 Jahre gemeinnützig sein.“ An der Arbeit des Vereins hat sich nichts geändert. Offenbar aber habe das Attac-Urteil die Mitarbeiter in den Finanzämtern zu „mehr Sensibilität“ veranlasst: „Jetzt prüfen sie auch da, wo sie früher nicht einmal hingeschaut haben.“ Dabei könnten auch Fehler gemacht werden.
Skeptisch sieht Alber die Fridays-for-Future-Vereine. Hier komme es nun sehr darauf an, wie die sich weiterentwickelten. Je konkreter das politische Handeln werde, desto mehr entferne man sich vom steuerlich geförderten Grundsatz der Gemeinnützigkeit. Im Gegensatz dazu meint der Professor aber, dass alle Versuche von Politikern, der Deutschen Umwelthilfe (DUH) die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, ins Leere laufen. Ein Verein, der sich den Schutz der Umwelt auf die Fahnen geschrieben habe, könne nicht schweigen, wenn es um Klimawandel und Schadstoffbelastung gehe. Auch dass die DUH Kommunen und Länder mit Klagen überziehe, ändere daran nichts. Auch damit werde schließlich der Vereinszweck erfüllt.
Im Zusammenhang mit der Aberkennung der Gemeinnützigkeit für Freimaurer wird nun auch darüber diskutiert, ob nicht auch Männergesangvereinen oder Knabenchören der Status aberkannt werden sollte, weil sie Frauen und Mädchen ausschließen. Alber findet, hier würden Äpfel mit Birnen verglichen: Während es beim Singen um eine besondere Kunstform gehe, mit der sich die Vereine gerne der Allgemeinheit präsentierten, sind die Freimaurer ein elitärer Zirkel, der sich gerade durch Abgrenzung definiere.
Momentan arbeiten verschiedene Kommissionen an einer Neuformulierung des Gesetzes. Alber hält drei Lösungsvarianten für möglich: Die politische Betätigung könnte für „unschädlich in Bezug auf die Gemeinnützigkeit“ erklärt oder der Katalog der Kriterien, die erfüllt werden müssen, um den Passus „politiknahe Zwecke“ ergänzt werden. Möglich wäre aber auch ein dritter Weg: „Der Gesetzgeber schafft einen eigenen Steuerstatus für politsche Körperschaften.“ Vermutlich hätte das jedoch zur Folge, dass die Steuervergünstigung geringer ausfiele als bisher.