Jedes Land geht anders mit seinen unehrlichen Geldanlegern um. Franzosen können sich freikaufen, Dänen werden mit ganzer Härte verfolgt.

Stuttgart - Steuersünder gehen in Deutschland straffrei aus, wenn sie sich zur Selbstanzeige aufraffen, bevor der Fiskus auf sie aufmerksam geworden ist - eine Praxis, die das Rechtsempfinden vieler Bürger arg strapaziert. Das zeigt die aktuelle Diskussion um den Ankauf von Bankdaten hierzulande. Wie aber gehen andere Länder mit ihren Steuersündern um? Einige Beispiele.

Frankreich


Wenn der französische Fiskus genau wüsste, wie viel Geld ihm entzogen wird, wäre er wohl auch über dessen Verbleib besser im Bilde. So aber stochert er mit der Stange im Nebel. Im Pariser Finanzministerium schätzt man die Summe der dem Staat jährlich entgehenden Einnahmen nicht sehr präzise auf "zig Milliarden Euro". Wer freilich erwischt wird, muss sich "freikaufen" und tut dies in der Regel auch. Steuerstrafverfahren sind in Frankreich die Ausnahme. In der Praxis haben sich "Tarife" herausgebildet. Zu begleichen ist die Steuerschuld zuzüglich Zinsen und Geldbuße. Wer gutgläubig gehandelt hat, zum Beispiel weil er als Erbe eines in der Schweiz geparkten Vermögens nicht wusste, dass er die im Ausland erworbene Hinterlassenschaft mit dem französischen Staat zu teilen hat, kommt mit banküblichen Kreditzinsen davon. Wer böswillig handelte, muss 40 Prozent Zinsen entrichten, in besonders schweren Fällen 80 Prozent. Eine zweite Faustregel besagt, dass der Fiskus von einem im Ausland aufgespürten Vermögen 10 bis 20 Prozent zu beanspruchen pflegt.

Das Ausmaß der Geldbuße ist Verhandlungssache, wobei der Ertappte unter gehörigem Druck steht, sich mit den Finanzbeamten zu einigen. Wenn dies nicht gelingt und die Behörden die Staatsanwaltschaft einschalten, drohen dem unehrlichen Anleger bis zu fünf Jahre Gefängnis. Wie bei den Verhandlungen mit Steuersündern ist der Staat auch bei Erwerb und Verwendung von auf dubiose Weise erlangten Kontendaten nicht zimperlich. Als ein ehemaliger Angestellter einer Genfer Filiale der britischen Großbank HSBC im vergangenen Sommer Daten von 3000 Kontoinhabern anbot, griff Haushaltsminister Eric Woerth entschlossen zu. Dank der angeblich umsonst erhaltenen Informationen gingen bei den Finanzämtern bis Jahresende 3500 Selbstanzeigen ein sowie 700 Millionen Euro zusätzlicher Steuereinnahmen. Kaum ein Franzose warf dem Minister vor, den Erfolg mit unrechtmäßigen Mitteln erzielt zu haben. Allein die Schweiz übte herbe Kritik an den Franzosen.

Dänemark


"Uns hat noch niemand eine solche CD angeboten," wehrte Dänemarks soeben abgelöster Steuerminister Kristian Jensen ab, als eine parlamentarische Mehrheit drängte, dass auch er sich auf den Schwarzmarkt begeben möge, um die Daten dänischer Steuerschwindler zu kaufen. "Wenn die Deutschen in ihrem Material dänische Daten finden, leiten sie sie ohnedies an uns weiter", heißt es in Kopenhagen. Mit Spitzensteuersätzen bis zu 60 Prozent wären die Dänen eigentlich Anwärter für umfassende Steuerflucht. Doch die Transparenz des Steuersystems macht das Verbergen größerer Beträge fast unmöglich: jedes Einkommen, jede steuerpflichtige Zusatzleistung, jede Zinseinnahme wird von den auszahlenden Stellen automatisch dem Steueramt mitgeteilt. Die meisten Arbeitnehmer brauchen keine Steuererklärung abzugeben, sondern müssen die Vorlage nur abnicken, die ihnen der Fiskus ins Haus schickt.

Die Strafen für Steuerhinterziehung sind drakonisch. Bei Summen von bis zu 250.000 Kronen (33.000 Euro) setzt es Geldstrafen, die die unterschlagene Steuer zumindest verdoppeln. Bei 20.000 Euro Steuerschuld werden 50.000 Euro fällig, wenn Absicht vorlag. "Grobe Fahrlässigkeit" kostet die Hälfte. Wer mehr als 250.000 Kronen vor dem Fiskus verbarg, muss vor Gericht und bekommt zusätzlich zur Geld- auch eine Freiheitsstrafe, zum Beispiel acht Monate ohne Bewährung bei unterschlagenen zwei Millionen Kronen (270.000 Euro). Auch für Selbstanzeiger gibt es keine Amnestie, doch kann sich das rechtzeitige Geständnis strafmildernd auswirken.

Italien


Für eine CD-Rom mit den Daten von 1500 oder 1700 Steuersündern würde Italiens Finanzpolizei keinen Cent ausgeben. Erstens kämen die Ermittler mit einer so dünnen Scheibe nicht furchtbar weit in einem Land, das jährlich 100 Milliarden Euro dem Fiskus verheimlicht und damit traditionell den europäischen Spitzenplatz bei der Steuerhinterziehung hält; zweitens versicherte der Chef des nationalen Finanzamts, Attilio Befera, bereits im Sommer 2009, man verfüge längst über eine eigene Liste - und die umfasse 170.000 Namen.

Mit "nie da gewesenem Erfolg" oder mit "enttäuschendem Ergebnis", je nachdem, ob sich der Finanzminister oder die Opposition dazu äußert, hat Italien nun seine illegalen Finanzexporteure zum Deklarieren ihrer Milliarden gelockt. Für fünf Prozent der ins Ausland geschafften Summe konnten sie sich von lästigen Fragen und aller Strafverfolgung freikaufen. Die Aktion war zunächst bis 15. Dezember 2009 befristet, wurde jetzt aber bis Ende April verlängert.

Finanzminister Giulio Tremonti versprach sich Steuermehreinnahmen von fünf Milliarden Euro; den jüngsten Zahlen nach kann er in der Tat mit 4,75 Milliarden Euro rechnen. 95 Milliarden Euro seien nach Italien zurückgeflossen, behaupten das nationale Finanzamt und der Minister; nur 35 Milliarden Euro seien es gewesen, kontert die Nationalbank. Der Rest sei zwar den Steuerbehörden gemeldet worden, aber im Ausland geblieben.

Neben dem Locken hat Italiens Finanzpolizei auch das Drohen verstärkt. Längst sucht sie "mit geheimdienstlichen Methoden" nach den 250 bis 450 italienischen Milliarden, die immer noch im steuerparadiesischen Ausland liegen. Effizienter geworden sind die Ermittler und die Agentur "Equitalia", die festgestellte Steuerschulden dann tatsächlich eintreibt, auch im Inland; so kamen 2009 etwa sieben weitere Milliarden zusammen. pk

Spanien


Vor der Einführung des Euro war die 10.000-Peseten-Note der Geldschein mit dem höchsten Wert in Spanien: Das entsprach 60 Euro. Jetzt gibt es die 500-Euro-Scheine, und niemand liebt sie so sehr wie die Spanier. Rund ein Viertel aller 500-Euro-Scheine der Eurozone sind in Spanien im Umlauf. Dort nennt man die Scheine "Bin Ladens" - jeder hat schon von ihnen gehört, aber niemand bekommt sie je zu Gesicht. Gebraucht werden sie fast ausschließlich zu einem Zweck: um Geschäfte am Fiskus vorbei zu machen. "In B bezahlen", nennt man das im spanischen Geschäftsjargon: also schwarz.

Mehr als 23 Prozent der spanischen Wirtschaft ist Schattenwirtschaft, sagt die Gewerkschaft der Finanzbeamten Gestha. Die Inspektoren der Finanzverwaltung haben im vorvergangenen Jahr rund acht Milliarden Euro nicht gezahlte Steuern aufgespürt - was aber nach guten Schätzungen nur etwa ein Zehntel dessen ist, was kleine und große Steuerhinterzieher dem Staat schuldeten.

Seit 2006 gibt es ein "Maßnahmengesetz zur Verhinderung von Steuerbetrug", aber die meisten Fachleute sind sich einig, dass es dringend verbessert werden muss. Für Steuerbetrug wandert man nicht allzu schnell ins Gefängnis: Erst ab einer Summe von 120.000 Euro wird die Hinterziehung zur Straftat. Die Regierung hat sich allerdings vorgenommen, das Strafgesetzbuch in Sachen Fiskaldelikte zu verschärfen: Die Höchststrafe soll demnächst von vier auf sechs Jahre und die Verjährungsfrist von fünf auf zehn Jahre verlängert werden. Das ist alles gut gemeint. Doch allein in Katalonien haben sich in den vergangenen zehn Jahren 500 unbearbeitete Fälle von Fiskaldelikten angesammelt, weil die Justiz überlastet ist. mda

Amerika


In den USA ist die Fahndung nach versteckten Vermögen im Ausland in den vergangenen Jahren intensiver geworden. Jede ausländische Bank, die Konten von Amerikanern führt, muss den US-Steuerbehörden ein Formular mit den Kundendaten übermitteln. Die USA haben keine CD mit gestohlenen Daten gebraucht, um an Steuersünder in der Schweiz heranzukommen. Ihnen genügte, dass sie Kundenberater der Schweizer Bank UBS auf einer Verkaufsmesse in Florida dabei ertappten, wie sie Amerikanern anboten, ihr Geld vor dem Fiskus zu verstecken.

Das entscheidende Druckmittel waren die wirtschaftlichen Interessen von UBS in den USA. Die Bank konnte entweder die Daten weitergeben - oder sie riskierte dort ihre Lizenz. In zähen Verhandlungen fanden die Schweiz und die USA im vergangenen Sommer einen Kompromiss, um einen weiteren Rechtsstreit zu vermeiden: Die USA sollten 4450 von etwa 50.000 verdächtigen Kundendaten erhalten, aber erst nachdem sie eine Clearingstelle der Schweizer Regierung freigegeben hatte. Die Angst vor der Entdeckung reichte, um der US-Steuerbehörde IRS bis zum Ende einer Amnestiefrist im vergangenen Herbst fast 15.000 Steuersünder in die Arme zu treiben, die sich selbst anzeigten. Doch im Januar kam der Prozess ins Stocken: Ein Schweizer Gericht erklärte die Freigabe der Daten für unvereinbar mit den Gesetzen über das Bankgeheimnis.

Die Schweiz steht unter Druck: Das deutsche Beispiel ist in den USA aufmerksam verfolgt worden. "Es gibt kein verfassungsrechtliches Verbot, das die amerikanische Regierung daran hindert, ähnliche Informationen zu nutzen, wie diejenigen, die Deutschland angeboten wurden", sagt der Kriminologe Peter Henning von der Universität Wayne. Wer in den USA bei der Steuerhinterziehung erwischt wird, muss neben dem hinterzogenen Betrag plus Zinsen noch ein Bußgeld von meist 25 Prozent des geschuldeten Betrags bezahlen und mit Strafverfolgung rechnen. Kleinere Steuerdelikte verjähren nach drei Jahren.