Steuern in Esslingen Kritik an Grundsteuer: Sind Änderungen rechtswidrig?
Die Stadt Esslingen will zum kommenden Jahr die Hebesätze für die Grundsteuern A und B verändern. Das sorgt für Kritik – zu Recht?
Die Stadt Esslingen will zum kommenden Jahr die Hebesätze für die Grundsteuern A und B verändern. Das sorgt für Kritik – zu Recht?
Schon ein Jahr nach der Reform will die Stadt Esslingen die Hebesätze für die Grundsteuer A und die Grundsteuer B ändern. Die eine soll erhöht, die andere auf Null gesetzt werden. Das passt jedoch nicht jedem: In der Bürgerschaft regt sich Kritik gegen das Vorhaben.
Als die derzeit gültigen Hebesätze für die Grundsteuer A und B im Herbst 2024 festgesetzt wurden, hatten laut Stadtverwaltung noch nicht für alle Grundstücke und Gebäude die Messbescheide des Finanzamts vorgelegen. Das habe dazu geführt, dass in diesem Jahr mit insgesamt 19 Millionen Euro rund 1,8 Millionen Euro weniger Grundsteuer eingenommen würden als vorgesehen. Um das Minus auszugleichen, will die Stadt den Hebesatz für die Grundsteuer B von bislang 245 Prozent ab kommendem Jahr auf 280 Prozent erhöhen.
Die Grundsteuer A hingegen will die Stadt auf Null setzen. Denn der Gesamtertrag aus dieser Steuer von voraussichtlich rund 33 200 Euro setze sich aus so vielen Kleinbeträgen zusammen, dass allein die Erhebung der Steuer mehr Aufwand bedeute als der Ertrag, so das Argument. Bei mehr als 90 Prozent der insgesamt 4200 Fälle liege der Messbetrag bei weniger als zwei Euro. Zudem könne man mit dem Hebesatz von Null ganz nebenbei die Landwirtschaft, den Weinbau, die Streuobstwiesen und sonstige Gartengrundstücke fördern.
Diese Argumente kann Michael Glocker überhaupt nicht nachvollziehen. Glocker ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Bürgerausschüsse in Esslingen und nach eigenen Angaben Experte in Sachen Grundsteuer: Er habe ein duales Studium an der Verwaltungshochschule in Ludwigsburg und am Finanzamt Stuttgart absolviert, sich beim Landratsamt Esslingen mit der Grundsteuerreform beschäftigt und sei als Dozent im Steuerrecht tätig. Und er halte das Vorhaben der Stadt für höchstwahrscheinlich rechtswidrig.
Denn indem die Stadt Esslingen die Grundsteuer B erhöhe, die Grundsteuer A aber auf Null senke, verstoße sie gegen den Gleichheitsgrundsatz von Artikel 3 des Grundgesetzes, nach dem alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, glaubt Glocker. Zumal damit aus seiner Sicht wohlhabendere Menschen bevorzugt und weniger Wohlhabende benachteiligt würden. Denn die Erhöhung der Grundsteuer B werde vermutlich durch die Vermieter an die Mieter weitergegeben, während diejenigen, die sich größere Grünflächen leisten könnten, von der Grundsteuer A verschont blieben.
Das sei schon aus wohnpolitischen Gründen schwierig, findet Glocker. „Wenn man bezahlbaren Wohnraum in der Stadt schaffen will, dann passt das nicht“, sagt er. Und gerecht sei es schon gar nicht: „Es ist einfach nicht richtig, die Leute, die wenig haben, zu belasten und diejenigen, die viel haben, zu entlasten“, so Glocker. „Das wird vor Gericht landen, wenn die Stadt das durchzieht“, sagt er. „Ich werde dafür sorgen, dass dagegen geklagt wird.“ Zumal er nicht alleine sei mit seiner Meinung: Er habe einige Mitstreiter, darunter auch Steuerexperten, die die Sache ähnlich sehen würden.
Im Esslinger Rathaus sieht man sich jedoch im Recht. Die geplanten Änderungen der Hebesätze für die Grundsteuern A und B seien weder rechtswidrig noch verstießen sie gegen den Gleichheitsgrundsatz, teilt Isabelle Butschek von der städtischen Pressestelle mit. „Der Gleichheitsgrundsatz verlangt, dass wesentlich Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt wird“, so Butschek. Das sei hier der Fall, schließlich würden zwei völlig unterschiedliche Steuerarten mit jeweils eigener gesetzlicher Grundlage unterschiedlich behandelt.
Zumal die geplante Erhöhung der Grundsteuer B in keinem direkten Zusammenhang mit dem Wegfall der Grundsteuer A stehe. Sie habe einen völlig anderen Hintergrund: Durch gesetzlich veranlasste Anpassungen der Messbescheide durch das Finanzamt entstünden der Stadt Einnahmeverluste. Um diese auszugleichen und die Finanzierung öffentlicher Aufgaben weiterhin zu sichern, solle der Hebesatz für die Grundsteuer B von derzeit 245 auf 280 Prozent angehoben werden.
Bei der Grundsteuer A hingegen stehe der Aufwand, diese Steuer zu erheben, in keinem sinnvollen Verhältnis zum Nutzen. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Effizienz habe sich die Stadt Esslingen daher entschieden, auf die Erhebung der Grundsteuer A künftig zu verzichten. Im Übrigen stehe Esslingen mit dieser Entscheidung nicht alleine da. Auch andere Städte, beispielsweise Wendlingen, hätten bereits einen Hebesatz von null Prozent für die Grundsteuer A eingeführt, so Butschek.
Susanne Nusser, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin und Finanzdezernentin beim Städtetag Baden-Württemberg, bestätigt im Wesentlichen die Haltung der Stadt Esslingen. Auch sie erklärt, dass es sich bei Grundsteuer A und Grundsteuer B um unterschiedliche Steuern handele und der Gleichheitsgrundsatz insofern tendenziell nicht verletzt werden könne. Eine verfassungsgerichtliche Entscheidung dazu gebe es aber noch nicht: „Das ist ein Thema, dem wir uns im Moment erst nähern.“ Denn auch andere Städte würden planen, die Grundsteuer A auf Null zu setzen.
Grundsteuern
Die Grundsteuer A und die Grundsteuer B betreffen laut Esslinger Stadtverwaltung unterschiedliche Arten von Grundstücken. Die Grundsteuer A gelte für land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, also etwa Äcker, Wiesen oder Wald. Die Grundsteuer B betreffe hingegen bebaute und bebaubare Grundstücke. Diese Unterscheidung sei gesetzlich vorgesehen: Sie ergebe sich aus der Abgabenordnung sowie dem Landesgrundsteuergesetz und werde bundesweit so gehandhabt.
Erhebung
Laut Susanne Nusser, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin und Finanzdezernentin beim Städtetag Baden-Württemberg, sind Kommunen nicht verpflichtet, Grundsteuer zu erheben. „Die einzige kommunale Steuer, die erhoben werden muss, ist die Hundesteuer“, so Nusser.