Exklusiv Wie kamen Steuerinterna von Wolfgang Porsche in die Zeitung? Die Staatsanwaltschaft würde das gerne näher untersuchen, kommt aber nicht weiter. Der Grund: die Finanzministerien in Stuttgart und Berlin müssen Ermittlungen erst genehmigen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Weniges ist in Deutschland so streng geschützt wie das Steuergeheimnis. Die Bürger müssen ihre finanziellen Verhältnisse gegenüber dem Staat offenlegen – da sollen sie sich auch darauf verlassen können, dass die Angaben unter Verschluss bleiben. Fragen Medienvertreter bei den Finanzbehörden nach konkreten Steuerfällen, gehen dort sämtliche Rollläden herunter.

 

Ganz anders verhielt es sich im Fall Wolfgang Porsche. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) konnte das Oberhaupt des legendären Autoclans im März nachlesen, wie schwer sich der Fiskus mit einer Anfrage von ihm tat. Sein Milliardenvermögen sollte dem 70-jährigen steuerneutral ins Nachbarland Österreich folgen – das sahen die Finanzministerien in Stuttgart und Berlin überaus kritisch. Das Steuersparmodell könne sich zu einem Vorbild „für all diejenigen Steuerpflichtigen entwickeln, die in vergleichbaren Sachverhalten unter Umgehung der Wegzugsbesteuerung ins Ausland ziehen wollen“, zitierte die FAZ aus einem Dokument des baden-württembergischen Ressorts von Nils Schmid (SPD). Ganz ähnlich sah man das im Haus von Bundesminister Wolfgang Schäuble (CDU): Es spreche „einiges dafür, dass ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten“ vorliege. So wurde ein dem Blatt vorliegender „vertraulicher interner Aktenvermerk“ wiedergegeben.

Parallelen zum Geheimnisbruch im Fall Hoeneß

Eine delikate Steuerangelegenheit wird in aller Öffentlichkeit ausgebreitet – das riecht gewaltig nach einem Gesetzesverstoß. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart begann denn auch bald zu prüfen, ob ein Bruch des Steuer- und/oder Dienstgeheimnisses vorliege. Zuvor hatte ein anonymer Informant – womöglich der gleiche wie jener der FAZ – bei ihr versucht, anhand interner Unterlagen Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung gegen Wolfgang Porsche in Gang zu bringen. Vergeblich, es fand sich kein Anfangsverdacht.

Auf den ersten Blick liegen die Dinge ähnlich wie im Fall des einstigen FC-Bayern-Präsidenten Ulrich Hoeneß. Der war von Journalisten schriftlich mit einem Ausschnitt aus seiner Steuerakte konfrontiert worden. Umgehend erstattete Hoeneß Anzeige und schickte die Medienanfrage samt dem „rein internen Dokument“ an die Staatsanwaltschaft München. Dort liefen Ermittlungen an, die im Januar mit Durchsuchungen bei mehreren Dienststellen der bayerischen Finanzverwaltung publik wurden. Begründung der Razzia: Man wolle herausfinden, wer auf die Steuerakte von Hoeneß – elektronisch und in Papierform – Zugriff hatte und wie das Dokument „an das Presseorgan gelangen konnte“. Noch ist das Verfahren einem Sprecher zufolge nicht abgeschlossen, doch in den nächsten Wochen wird ein Ergebnis erwartet.

Seit drei Monaten im Prüfstadium

In Stuttgart hingegen konnten Ermittlungen noch nicht einmal richtig anlaufen; seit drei Monaten steckt man im Prüfstadium fest. Es fehlt nicht am Willen der Staatsanwälte zur Verfolgung, sondern an den speziellen rechtlichen Voraussetzungen dafür. Um einer Verletzung des Steuergeheimnisses nachzugehen, müsste Strafantrag gestellt werden – entweder vom Betroffenen oder vom Dienstvorgesetzten bei der Finanzbehörde.

Wolfgang Porsche hatte sich über die Indiskretion zwar höchst befremdet gezeigt. „Der Respekt vor seiner Privatsphäre und die Wahrung seines Steuergeheimnisses sollten wie bei jedem anderen Staatsbürger auch selbstverständlich sein“, ließ er erklären. An einer Strafverfolgung aber hat er offenbar kein Interesse – womöglich, um die Dinge nicht weiter aufzurühren. Eine Anzeige von ihm liegt nach StZ-Informationen jedenfalls nicht vor, ebenso wenig offenbar von den Finanzbehörden.

Die Ermächtigung zum Ermitteln fehlt

Um wegen einer Verletzung des Dienstgeheimnisses zu ermitteln, bräuchten die Staatsanwälte laut der Behördensprecherin eine so genannte Verfolgungsermächtigung. Eine solche habe man bei den Finanzministerien von Land und Bund erbeten, aber bisher nicht erhalten: aus Stuttgart gebe es bereits eine Absage, aus Berlin seit Wochen überhaupt keine Antwort. So eilig es die Ressorts hatten, das durch den Fall Porsche sichtbar gewordene Schlupfloch gesetzlich zu stopfen, so wenig dringlich war offenbar die Aufklärung eines Geheimnisbruchs. Womöglich deshalb, weil die Indiskretion als politisch durchaus hilfreich empfunden wurde?

„Kein Kommentar“, lautet die einzige Auskunft aus dem Haus von Nils Schmid. Etwas mehr verrät die Sprecherin der Staatsanwaltschaft: Eine interne Überprüfung durch das Landesministerium habe ergeben, dass eine etwaige Verletzung des Dienstgeheimnisses nicht in dessen Bereich erfolgt sei; deswegen halte es Ermittlungen bei sich auch nicht für angebracht. Wie heikel eine solche Verweigerung politisch sein kann, hatte Schmids Vorvorgänger Gerhard Mayer-Vorfelder (CDU) vor bald zwanzig Jahren erlebt: Weil er Ermittlungen gegen seinen obersten Steuerbeamten verhindern wollte, der am Stammtisch Interna ausgeplaudert hatte, geriet er schwer in Bedrängnis; unter Druck musste er sein Plazet doch noch erteilen.

Undichte Stelle im Bundesfinanzministerium?

Nach StZ-Informationen spräche viel dafür, die undichte Stelle im Bundesfinanzministerium zu suchen. Nur dort hätten sich alle Dokumente befunden, aus denen die FAZ zitierte, heißt es; eines sei in Stuttgart gar nicht vorgelegen. Umso verwunderlicher erscheint es, dass Schäubles Beamte die Staatsanwaltschaft seit Monaten hinhalten – und womöglich auf Dauer blockieren wollen. Seine Pressestelle gibt sich gegenüber der Stuttgarter Zeitung zugeknöpft: Man nehme „grundsätzlich zum Vorgehen der Staatsanwaltschaft keine Stellung“.

Sollte die Ermächtigung doch noch erteilt werden, wären die Stuttgarter Ermittler gleichwohl aus dem Spiel. Man würde den Vorgang in diesem Fall nach Berlin abgeben, sagt die Behördensprecherin. Die Begründung: Dort befände sich dann „der Tatort“.