Die deutschen sind in Kauflaune, der Arbeitsmarkt in gutem Zustand – dies beschert dem Staat höhere Steuereinnahmen. Dieses Ergebnis und ihre Prognose für die nächsten fünf Jahre werden Steuerschätzer am Donnerstag vorlegen.
Stuttgart - Mitunter sind es die guten Nachrichten, die Finanzminister fürchten. In dieser Woche ist es wieder so weit: Am Donnerstag werden die Steuerschätzer aus Ministerien und Institutionen ihre aktuelle Prognose für die fünf nächsten Jahre vorlegen. Ein Ergebnis steht schon fest. Die Einnahmen werden kräftig sprudeln. Das ist auf die Kauflaune der Deutschen und die gute Lage am Arbeitsmarkt zurückzuführen.
Von Jahr zu Jahr erreichen die Steuerzahlungen von Bürgern und Unternehmen neue Rekordstände. Im Jahr 2012 nahm der Staat noch 600 Milliarden Euro ein, im übernächsten Jahr könnten es schon rund 700 Milliarden Euro sein. So erfreulich der Geldsegen für die öffentlichen Kassen ist – er bringt die große Koalition auch in Erklärungsnot, denn die Menschen spüren den Aufschwung in ihrem Geldbeutel kaum. Ein Grund dafür sind heimliche Steuererhöhungen, von denen jeder Steuerzahler betroffen ist. Auch wenn Löhne und Einkommen steigen, führt die kalte Progression dazu, dass sich über ein Gehaltsplus vor allem der Fiskus freut.
Von der Idee, dass die Bürger über Entlastungen an der guten Entwicklung teilhaben sollen, haben sich Union und SPD weit entfernt. In diesem Punkt waren Union, SPD und Grüne vor einem Jahrzehnt weiter. Die Parteien wetteiferten damals um Steuersenkungen. Die Mutlosigkeit, die Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in der Steuerpolitik an den Tag legt, dämpft nun die Erwartungen.
Topverdiener spüren Sozialbeiträge kaum
Das spüren vor allem Arbeitnehmer mit mittlerem Einkommen. Sie merken, dass bei einem wachsenden Einkommen die Steuern übermäßig steigen. Das ist für Normalverdiener besonders schmerzlich, da Lohnsteigerungen unter dem Strich häufig nicht einmal mehr die Teuerungsrate kompensieren. Hinzu kommt, dass die gesellschaftliche Mitte mit ihren Beiträgen auch den größten Anteil zu den Sozialversicherungen beisteuert. Topverdiener spüren die Sozialbeiträge dagegen kaum, da sie über den Einkommensgrenzen in der Sozialversicherung liegen. Der Handlungsbedarf steht damit außer Frage: Davor verschließt die große Koalition aber die Augen.
Es mangelt nun nicht an Beteuerungen. Neuerdings gibt sogar SPD-Chef Sigmar Gabriel den Vorkämpfer für Steuerentlastungen. Wie ernst das gemeint ist, ist fraglich, denn es waren gerade die Sozialdemokraten, die in der Zeit der schwarz-gelben Koalition ein Gesetz zum Ausgleich der kalten Progression im Bundesrat blockierten. Mittlerweile nimmt auch die SPD zu Kenntnis, dass die Gewerkschaften begrenzte Steuerentlastungen befürworten, denn die Arbeitnehmerorganisationen spüren, dass ihre Mitglieder die Verlierer der gegenwärtigen Steuerpolitik sind. Das weiß auch die Union. Doch schreckt sie vor Konsequenzen zurück: Über interessante Steuerkonzepte, für die seinerzeit der ehemalige Unionsfraktionschef Friedrich Merz stand, wird in der CDU/CSU überhaupt nicht mehr geredet.
Maßloses Rentenpaket bringt höhere Steuern
Der steuerpolitische Stillstand hängt damit zusammen, dass der Bund im nächsten Jahr einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen will. Auch viele Länder müssen noch lernen, ohne neue Schulden auszukommen. Die zu erwartenden positiven Ergebnisse der Steuerschätzung erhöhen jedoch den Rechtfertigungsdruck: Angesichts der guten Wirtschaftslage ist das Ziel der Regierung, einen ausgeglichenen Etat anzustreben, nicht mehr so ambitioniert.
Mit einer klugen Politik wäre es möglich, den Haushalt auszugleichen und heimliche Steuererhöhungen zu unterbinden. Das wäre machbar, wenn sich die große Koalition auf wachstumsfördernde Ziele konzentrieren würde. Dazu zählen Steuerentlastungen. Stattdessen legen SPD und Union mit ihrem maßlosen Rentenpaket den Grundstein für neue Steuer- und Beitragserhöhungen in der Zukunft.