Mit einer ausländischen Goldhandelsfirma versuchen Einkommensmillionäre, Hunderttausende von Euro Steuern zu sparen. Im Südwesten ist der Trick besonders beliebt. Das Land will die Praxis nun unterbinden.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Zu Zeiten der schwarz-gelben Koalition war Bertram Dornheim bei den Medien qua Amtes ein gefragter Gesprächspartner: unter Willi Stächele (CDU) leitete er die Pressestelle im Finanzministerium. Inzwischen arbeitet der promovierte Jurist in der Steuerabteilung des derzeit SPD-geführten Ministeriums, aber bei den Medien ist er immer noch gefragt – diesmal aufgrund seiner Kompetenz. Ob Wirtschaftszeitung, Nachrichtenagentur oder Fachinformationsdienst: bundesweit wird Dornheim als Experte zu einem höchst fragwürdigen Steuerschlupfloch zitiert, von dem Baden-Württemberg auch noch besonders betroffen ist.

 

Goldfinger“ oder „Goldfälle“ wird die Masche betitelt, mit der Einkommensmillionäre in einem Jahr überhaupt keine Steuern zahlen zu müssen meinen. Sie basiert auf dem sogenannten Progressionsvorbehalt, mit dem die Besteuerung von Sondereinkünften neutralisiert wird, und funktioniert in Staaten, mit denen ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht. Dort, beispielsweise in Großbritannien, gründet der Höchstverdiener eine Rohstoffhandelsfirma – für Gold oder anderes – um sich für den Fiskus arm zu rechnen.

Es drohen Steuerausfälle in dreistelliger Millionenhöhe

Wie das genau funktioniert, erläutern listige Ratgeber wie der Newsletter „steuertip“ des Verlages Markt intern. Dort wurde der Fall eines Steuerpflichtigen mit Einkünften aus nicht selbstständiger Tätigkeit von jährlich 1,4 Millionen Euro vorgerechnet. Zum Spitzensteuersatz von 45 Prozent samt Solidaritätszuschlag zahle er dafür gut 631 000 Euro an den Fiskus. Doch die Last lasse sich gewaltig mindern – mit einer britischen Limited Partnership in London. Die kaufe Gold für 1,4 Millionen Euro, was in Deutschland als Verlust gelte, dank Progressionsvorbehalt das zu versteuernde Einkommen mindere und den Steuersatz so auf null senke. Im Jahr darauf verkaufe die Handelsfirma das Gold wieder, was steuerlich einem Gewinn von 1,4 Millionen Euro entspricht. Theoretisch müsste dieser den Steuersatz des Firmengründers erhöhen, doch der zahlt ohnehin schon den Spitzensatz. Unterm Strich bleibt über beide Jahre eine Ersparnis von insgesamt gut 631 000 Euro.

„Der Goldanlagen-Clou beruht auf einer soliden rechtlichen Grundlage“, behauptete der Verfasser. Allerdings fühle sich die Finanzverwaltung davon „provoziert“. Wohl wahr. Ihr drohen schließlich Steuerausfälle in dreistelliger Millionenhöhe, wie das Stuttgarter Finanzministerium auf StZ-Anfrage mitteilte. Nach einer länderübergreifenden Erhebung zu Jahresbeginn gehe es um geltend gemacht Verluste von etwa 1,4 Milliarden Euro. Bei Anwendung des Spitzensteuersatzes entspreche dies einem Steuervolumen von bundesweit 600 Millionen Euro. Alleine im Südwesten, so das Ministerium, drohten Ausfälle von bis zu 100 Millionen Euro.

In Baden-Württemberg sind die „Goldfälle“ besonders beliebt

Baden-Württemberg scheint nebst Bayern und Hessen zu jenen Bundesländern zu zählen, in denen der Goldtrick besonders beliebt ist – vermutlich, weil es hier besonders viele Einkommensmillionäre gibt, die ungern Steuern zahlen. Bisher seien im Südwesten 17 Fälle bekannt, sagt das Ministerium. Die Modelle fänden sich aber auch in anderen Bundesländern. Beim Finanzgericht Baden-Württemberg seien derzeit zwei Verfahren dazu anhängig.

Für den Fiskus nämlich, so das Ressort, handelt es sich um eine „rechtsmissbräuchliche Gestaltung“. Die Finanzämter im Land gingen dagegen vor und verweigerten die Anerkennung der Verluste. Genau diese Einschätzung erläuterte der Experte Dornheim auch in einem Aufsatz für die Zeitschrift „Deutsches Steuerrecht“. „Die optimistische Behauptung, dass die Konstruktion auf einer soliden rechtlichen Grundlage beruhe, trägt nicht“, schrieb er dort. Von den bisherigen gerichtlichen Entscheidungen zeigte er sich nicht völlig überzeugt. Letztlich müsse das Modell wohl höchstrichterlich, also vom Bundesfinanzhof bewertet werden. Für die Zukunft, so Dornheim, werde der Gesetzgeber „die Anforderungen an die steuerliche Anerkennung deutlich verschärfen“.

Geschlossen werden soll das Schlupfloch mit dem Jahressteuergesetz 2013, das bereits auf dem Weg ist; eine entsprechende Bundesratsinitiative begrüßte auch die Stuttgarter Regierung. Man unterstütze „aktiv die Bestrebungen, die Goldmodelle durch gesetzgeberische Maßnahmen weiter zu erschweren”, ließ Finanzminister Nils Schmid (SPD) mitteilen. Ziel sei es, „diese Praxis zu unterbinden“.