Uli Hoeneß ist kein Einzelfall. Die Kölner Steuerrechtlerin Alexandra Mack erlebt oft, dass Mandanten selbst nicht genau wissen, wie viel Geld im Ausland liegt. Dann hilft nur großzügiges Schätzen. Ein Interview zur Praxis der richtigen Selbstanzeige.
31.07.2013 - 18:29 Uhr
Berlin – - Uli Hoeneß ist kein Einzelfall: Steueranwälte erleben oft, dass Mandanten nicht genau wissen, wie viel Geld im Ausland liegt. Bei Selbstanzeigen muss großzügige geschätzt werden. Der StZ-Redakteur Roland Pichler hat mit der Steuerrechtlerin Alexandra Mack gesprochen.
Frau Mack, kommt es oft vor, dass gegen Steuersünder, die eine Selbstanzeige abgegeben haben, ein Ermittlungsverfahren eröffnet wird?
Es wird nach jeder Selbstanzeige ein Strafverfahren eröffnet. Das ist nicht ungewöhnlich, denn die Finanzverwaltung muss zunächst prüfen, ob die Selbstanzeige wirksam ist. Dafür wird ein Strafverfahren eröffnet, das eingestellt wird, wenn die Selbstanzeige in Ordnung ist.
Kommen Steuersünder, die eine Selbstanzeige abgegeben haben, häufig vor Gericht?
Das passiert glücklicherweise selten. Die Selbstanzeige soll ja gerade vor Strafe schützen. Wenn eine Selbstanzeige nicht zu spät kommt und keine Fehler enthält, gibt es kein Gerichtsverfahren.
Der Fall Hoeneß zeigt, wie schwierig es ist, eine Selbstanzeige abzugeben. Worauf kommt es an?
Die größte Schwierigkeit liegt darin, dass vor rund zwei Jahren das Recht der Selbstanzeige verschärft worden ist. Seither bestehen engere Voraussetzungen. Es kommt darauf an, dass die Selbstanzeige vollständig ist. In der Praxis passiert es oft, dass Mandanten möglichst schnell eine Selbstanzeige abgeben wollen, aber Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne nicht genau kennen. Damit wissen wir nicht, welche Erträge dem Fiskus vorenthalten worden sind. In diesem Fall muss man schätzen. Die richtige Schätzung ist eine der größten Schwierigkeiten bei einer Selbstanzeige.
Ist das nicht ein Widerspruch? Einerseits muss die Selbstanzeige vollständig sein, andererseits wird oft mit Schätzungen gearbeitet?
Die Mandanten kommen oft zu uns und wünschen sich eine Selbstanzeige mit den korrekten Zahlen. Dazu benötigen sie aber Unterlagen. Weder Mandanten noch Berater können zaubern. Auch die Banken brauchen ihre Zeit, um die Konteninformationen zu liefern. Wenn man nicht Wochen oder Monate warten will, bis die vollständigen Unterlagen vorhanden und diese Informationen ausgewertet sind, müssen wir mit geschätzten Zahlen operieren. Die meisten Kunden haben zumindest eine gewisse Vorstellung, welche Gelder im Ausland liegen. Mit der Selbstanzeige, die auf geschätzten Zahlen beruht, bringen wir den Mandanten in Sicherheit. Dabei rate ich dazu, die Beträge in der Selbstanzeige möglichst hoch anzusetzen. Damit legen wir einen Rettungsring um den Mandanten.
Ist der Kunde auf sicheren Seite, wenn der steuerliche Schaden hoch geschätzt wird?
Wenn sich herausstellt, dass die Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne in keinem einzelnen Jahr zu niedrig taxiert worden sind, ist der Mandant aus dem Schneider. Wir dürfen nicht nur Durchschnittswerte angeben, sondern müssen für jedes einzelne Jahr angeben, welche Erträge und Gewinne entstanden sind. Falls sich später herausstellt, dass in einem Jahr die tatsächlichen Erträge höher waren als die Schätzung, bringt das die gesamte Selbstanzeige in Gefahr.
Im Fall Hoeneß soll angeblich eine zweite Selbstanzeige nachgereicht worden sein. Ist das möglich?
Mandanten und Berater haben genau einen Schuss. Der muss sitzen. Die Selbstanzeige muss genau genug und hoch genug sein. In der Presse war zu lesen, dass im Falle Hoeneß eine zweite Selbstanzeige nachgeschoben worden ist. Falls dies zutrifft, könnte man dies nur als Rettungsversuch verstehen. Üblich ist das nicht.
Spüren Sie, dass sich nach dem Fall Uli Hoeneß mehr Mandanten an Sie wenden?
Die Selbstanzeige erfährt im Augenblick einen Zulauf, wie ich es in meiner gesamten Laufbahn als Steuerrechtlerin noch nicht erlebt habe. Schon vor dem Fall Hoeneß war die Welle von Selbstanzeigen beispiellos. Das hängt nicht nur mit prominenten Fällen zusammen, sondern auch damit, dass die ausländischen Banken eine Weißgeldstrategie verfolgen. Viele ausländische Banken wollen keine Konten mehr verwalten, für die in Deutschland keine Steuern entrichtet werden. Deshalb setzen die Geldhäuser den Kunden die Pistole auf die Brust.