Bäcker, Metzger, Lehrer, Richter: Kleinere Steuersünder haben offenbar verstärkt Angst vor Entdeckung. Seit Anfang des Jahres sind rund 5400 Selbstanzeigen bei den Finanzbehörden im Land eingegangen.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

Stuttgart - Die großen Fische haben die trüben Wasser längst verlassen. Es sind vergleichsweise kleine Steuersündenfälle, die aktuell bei den Rechts- und Steuerberatern der Stuttgarter Kanzlei Rödl und Partner anlanden. „Im Schnitt kommen zwei Klienten pro Woche zu uns, die sich selbst anzeigen wollen. Bis zum Jahresende dürften es zwischen 80 und 100 werden“, schätzt Alexander Kutsch. Er ist Leiter der Rechtsberatung von Rödl & Partner, eines der großen Beraterbüros in Stuttgart, die sich speziell um Selbstanzeiger kümmern.

 

Die Großvermögenden haben ihre Verhältnisse inzwischen geordnet, jetzt kommen die „Bäcker, Metzger, Wirte, Lehrer, Richter und Leute, die geerbt haben – die bürgerliche Mitte“, sagt Kutsch. Auf ihren schwarzen Konten in der Schweiz, in Österreich, Luxemburg oder Liechtenstein lägen Summen zwischen 100 000 und einer Million Euro. „Oft ging es den Klienten in erster Linie um eine sichere Geldanlage, die Steueroptimierung war mehr ein schöner Nebeneffekt. Das sagen zumindest die meisten.“ Strafrechtliche Konsequenzen müssten die Steuersünder nicht fürchten, sofern sie jetzt bei der Finanzbehörde korrekte Angaben machten. Die Bußgeldstellen stellten ihr Ermittlungsverfahren ein, wenn der Klient Steuern, Zinsen und – bei besonders schweren Fällen – einen Strafzuschlag fristgerecht nachzahlten.

Banken stehen unter Druck

Laut dem Finanzministerium des Landes sind seit Anfang 2013 bis heute rund 5400 Selbstanzeigen mit Bezug zu Kapitalanlagen in der Schweiz eingegangen. Dabei lasse sich ein Anstieg gegenüber den Vorjahren feststellen. Für Kutsch liegen die Gründe auf der Hand: Die Banken stünden unter Druck, weil sie bis Anfang 2015 ihre Daten offenlegen sollen. Künftig wollten sie keine unversteuerten Gelder mehr verwalten und gingen derzeit auf ihre Kunden zu. Gewissermaßen als Service würden sie gleich Steueranwälte nennen, die auf Selbstanzeiger spezialisiert sind. Ein weiterer Grund für die Zunahme an Selbstanzeigen sei das Scheitern des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens, von dem sich viele Schwarzkonteninhaber eine Klärung ihrer Situation versprochen hätten. Schließlich spiele auch der Fall Hoeneß eine Rolle, meint Kutsch. So sieht man das auch im Finanzministerium: „Die Zahl der Selbstanzeigen in Baden-Württemberg lässt aus hiesiger Sicht durchaus den Rückschluss zu, dass viele Selbstanzeigen in mittelbarer Folge von Presseberichten über den Ankauf von Steuer-CDs erstattet wurden“, antwortete Finanzminister Nils Schmid (SPD) auf eine Anfrage zu den Steuer-CD-Ankäufen. In der Stellungnahme heißt es weiter: Das Land habe sich mit mehr als einer Million Euro am Ankauf von acht Daten-CDs beteiligt. Man könne davon ausgehen, „dass die Kostenbeteiligung amortisiert wird“. Dabei seien bis dato nicht erklärte Kapitalerträge von 1,5 Milliarden Euro publik geworden. Laut Ministerium brachten die Selbstanzeigen bis Anfang November Steuermehreinnahmen von rund 419 Millionen Euro.

Wie die Behörde bekanntgab, sind damit seit Februar 2010 bei den Finanzämtern fast 17 000 Selbstanzeigen wegen verheimlichter Kapitalerträge aus der Schweiz und Liechtenstein eingegangen. Schmid begrüßte in diesem Zusammenhang, dass Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag schärfere Regeln bei Steuervergehen fordern. So sollen Steuersünder Angaben für die letzten zehn statt fünf Jahre machen, damit eine Selbstanzeige wirksam wird. Zudem sind härtere Sanktionen gegen Banken vorgesehen.

Zwar gibt es keine Statistik, in der die Zahl der Steuersünder auf einzelne Städte oder Landkreise heruntergebrochen wird, aber die geografische Nähe zu den Eidgenossen spielt eine Rolle: „Je näher sie an die Schweiz kommen, desto mehr Fälle gibt es“, sagt Daniel Abbou vom Finanzministerium. Bei der Beraterfirma Rödl & Partner, die bundesweit mehr als 20 Büros unterhält, teilt man diese Einschätzung: „Der Schwerpunkt der Selbstanzeigen liegt ganz klar im Süden.“