Die Wirtschaft brummt und wirbt der Steuerverwaltung den Nachwuchs ab. Deshalb kann diese ihrer Aufgabe nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erledigen, meint der designierte Chef der Beamtenbundes, Rosenberger. Der öffentliche Dienst müsse attraktiver werden.

Stuttgart - Dem baden-württembergischen Fiskus gehen wegen der Personalknappheit in der Steuerverwaltung jährlich rund 350 Millionen Euro verloren. „Wir verlieren allein 100 Millionen Euro im Jahr, weil wir zehn Stellen bei den Konzernprüfern nicht besetzen können„, sagte der designierte Landeschef des Beamtenbundes, Kai Rosenberger, der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Ein Konzernprüfer hole im Jahr im Schnitt zehn Millionen Euro zusätzlich an Steuern. Auch bei den Betriebsprüfern und Steuerfahndern klaffe eine Lücke von 100 unbesetzten Stellen, obwohl die Zugangsvoraussetzungen für den Nachwuchs zur Steuerverwaltung insgesamt gelockert worden seien. Diese Experten erzielten in der Regel ein Mehrergebnis von bis zu 1,5 Millionen Euro.

 

Die Gesamtzahl der vakanten Stellen in der Steuerverwaltung beziffert Rosenberger auf etwa 500. „Es ist einfach nur fatal, wenn wir diese Stellen nicht besetzen können.“ Baden-Württemberg sei mit 1,106 Finanzbeamten pro 1000 Einwohner bundesweites Schlusslicht.

Der bisherige Chef des Bezirksverbands Baden der Steuergewerkschaft stellt sich am Dienstag in Ludwigsburg als Nachfolger des langjährigen Beamtenbundchefs Volker Stich zur Wahl. Der 49-Jährige war sowohl als Betriebs- als auch als Konzernprüfer tätig.

Rosenberger sieht auch die Steuergerechtigkeit in Gefahr. „Die Bürger werden zur Kasse gebeten, wo aber richtig Geld zu holen wäre, haben wir nicht die Kapazitäten.“ Die Prüfer könnten auch ihr über lange Jahre gewachsenes Gespür für versteckte Steuermanipulationen aus Zeitnot nicht mehr entfalten. „Wir müssen uns immer mehr auf EDV-technische Risikoüberprüfungen verlassen, das subjektive Überprüfen einer Steuererklärung bleibt auf der Strecke.“

Größere Anstrengungen des Landes um den Beamtennachwuchs angemahnt

Deshalb mahnt Rosenberger größere Anstrengungen des Landes um den Beamtennachwuchs an. Mit der Rücknahme der 2013 abgesenkten Eingangsbesoldung sei bereits ein richtiger Schritt getan. Dieser reiche aber nicht aus. Unter seiner Ägide werde ein weiteres wichtiges Ziel sein, die 2013 vorgenommenen Kürzungen bei der Beihilfe zurückzunehmen. Diese schlügen wegen eines höheren Eigenanteils zur Krankenversicherung bei einem Familienvater mit zwei Kindern mit rund 200 Euro im Monat zu Buche. „Es ist nicht einzusehen, dass einzig Baden-Württemberg als reiches Bundesland trotz der Nachwuchsprobleme den Beamtenstatus so unattraktiv gestaltet“, sagte Rosenberger. Die alten Zustände wiederherzustellen, koste das Land lediglich 7,5 Millionen Euro im Jahr.

Die Aussichten, die ungeliebte Kürzung wieder abzuschaffen, habe ein wissenschaftliches Gutachten verbessert; es bescheinige den unteren Besoldungsgruppen - etwa in der Justiz, Steuerverwaltung und Kommunalverwaltung - ein Einkommen, das in etlichen Großstädten im Südwesten unter der Schwelle von 15 Prozent über dem Existenzminimum liege. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sei das als Verstoß gegen das Abstandsgebot nicht mehr verfassungskonform. Eine Zurücknahme des verschlechterten Beihilfeanspruchs hätte den Effekt, dass ein Teil der Beamten wieder über diese Schwelle gelange. „Da findet ein Umdenken statt“, sagte er mit Blick auf die Landesregierung.

Zudem gelte es, im öffentlichen Dienst die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch flexible Arbeitszeiten, Teilzeit-Möglichkeiten und Telearbeitsplätze weiter zu verbessern. „Da ist schon viel passiert - auf diesen Lorbeeren dürfen wir uns aber nicht ausruhen.“ Denn die Industrie sei schon gleich- und zum Teil vorbeigezogen. Starke Konkurrenz gerade für junge Steuerbeamte stellen laut Rosenberger die Steuerberatungskanzleien dar, die derzeit exorbitante Gehälter zahlten. Und angesichts von Arbeitszeiten von 35 Stunden in der Metall-Industrie sei auch für Beamte mit ihren 41 Wochenstunden eine kürzere Arbeitszeit geboten. Rosenberger resümierte: „Ein sicherer Arbeitsplatz ist in Zeiten historisch niedriger Arbeitslosigkeit kein Faustpfand mehr.“