Mit dem Abgang von Unternehmenschef Steve Jobs (Apple) verliert die US-Wirtschaft eine ihrer charismatischen Figuren.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)
 

Washington - Steve Jobs ist für seine Computerfirma Apple immer viel mehr als das Tüpfelchen auf dem I gewesen. Das Musikabspielgerät I-pod, das multimediale Mobiltelefon I-phone, der portable Kompaktcomputer I-pad und seit neuestem das Online-Speicherangebot I-Cloud wären ohne seine Vision, seine Besessenheit und technischen Perfektionismus nie entwickelt worden.

Diese viel kopierten, aber bisher von keinem Konkurrenten übertroffenen Geräte sind mehr gewesen als nur technische Innovationen. Sie haben ganze Produktkategorien neu definiert – und waren für Apple auch dank hoher Preise ein enormer kommerzieller Erfolg.

Vom I-phone beispielsweise wurden seit seiner Einführung im Jahr 2007 bereits rund 130 Millionen Exemplare verkauft. Der Apple-Chef Jobs ging mit diesen Innovationen immer ein Risiko ein, weil der Markt für sie erst entstehen musste. Er schuf dabei nicht nur eine unverwechselbare Marke mit einer loyalen Anhängerschaft, sondern einen Kult um die eigene Person.

Die Schlagzeilen fast so prominet als sei Obama zurückgetreten

Dass ausgerechnet am Tag seiner Rücktrittsankündigung in einem Washingtoner Verlag sogar ein Comic über ihn auf den Markt kam, ist ein Beleg dafür, dass der 56-Jährige mehr war als nur ein erfolgreicher Firmenchef.

Die Schlagzeilen der US-Medien, dass der Krebs, der Jobs seit 2004 begleitet und der 2009 eine Lebertransplation nötig machte, zum Rückzug zwinge, waren fast so prominent, als sei der US-Präsident höchstpersönlich zurückgetreten.

„Selten ist ein großes Unternehmen und eine ganze Industrie so von einem einzelnen Individuum dominiert worden – und so erfolgreich gewesen“, schreibt die „New York Times“. Steve Jobs habe „fast im Alleingang die Art und Weise verändert, wie Menschen rund um die Welt Musik konsumieren und das Internet, ja sogar das Fernsehen nutzen“, sagt die „Washington Post“. Und das „Wall Street Journal“ titelt: „Jobs‘ Erbe: Er hat unser Leben verwandelt.“

Jobs wuchs bei Adoptiveltern auf

Der Apple-Chef ragte zunehmend einsam in einer amerikanischen Wirtschaftskultur heraus, welche den kurzzeitigen Erfolg über langfristige Strategien stellte, und kreative Individuuen immer mehr durch allseitige Absicherungen und Komitees ausbremste.

Jobs, der bei Adoptiveltern aufwuchs, sein Collegestudium abbrach und Mitte der achtziger Jahre auch einmal aus der von ihm gegründeten Firma Apple herausgeschmissen wurde, pflegte seine Unkonventionalität. „Bleibe hungrig, bleibe ein Narr“, diesen Satz nannte er im Jahr 2005 bei einer Rede vor Studenten an der Universität Standford als sein Leitmotiv.

Legendär ist sein Bekenntnis, dass der Kunde doch im voraus gar nicht wissen könne, welche Bedürfnisse er wirklich habe – also seien auch Marktstudien völliger Unsinn. Jobs folgte lieber seinem Gespür für den Konsumentengeschmack. Dies hat ihn in den vergangenen Jahren jedenfalls nicht im Stich gelassen.

Tim Cook - ein Veteran

Einfachheit und Funktionalität, aber dennoch elegantes Design waren sein Credo. Der Apple-Chef hat aber im Laufe der Jahre, seitdem er nach einem mehrjährigen Zwischenspiel im Jahr 1997 wieder an die Spitze von Apple rückte, auch ein kreatives Team um sich herum aufgebaut, dessen Entscheidungen er vertraute.

Auch der künftige Apple-Chef Tim Cook ist ein solcher Veteran, der schon 13 Jahre dabei ist. Schon während der gesundheitsbedingten, längeren Abwesenheiten von Jobs führte er das Tagesgeschäft geräuschlos weiter. Dennoch wird Apple ohne das Charisma von Jobs eine andere Firma sein. Wenn es zu Konflikten kam, hatte er unumstritten das letzte Wort.

Mit seinem schwarzen Rollkragenpullover, den verwaschenen Jeans und seinem leidenschaftlichen, aber lockeren Auftreten war er bis zuletzt das dominierende Gesicht von Apple. Zunehmend mager und ausgezehrt wirkend, ließ sich Jobs bis zuletzt keine Produktvorstellung nehmen.

Jobs wird weiter Einfluss geltend machen

Wirtschaftlich gesehen, hat Jobs sich den richtigen Zeitpunkt ausgesucht. Apple geht es bestens. In diesem Monat war das Unternehmen aus Kalifornien am Aktienmarkt vor Exxon kurzzeitig sogar die wertvollste Firma der Vereinigten Staaten. Neue, noch von Jobs angestoßene Produkte wie eine für diesen Herbst erwartete, leistungsfähigere Version des I-Phone sind bereits in der Pipeline.

Als Chef des Aufsichtrats wird Jobs weiter seinen Einfluss geltend machen. Der Nachfolger Tim Cook ist eine bekannte Größe. Und nicht zuletzt war seit Monaten abzusehen, dass sich die Ära Jobs zu Ende neigte. Dass die Apple-Aktie nach der Ankündigung rasch etwa fünf Prozent an Wert verlor, ist angesichts der überragenden Bedeutung von Jobs ein noch vergleichsweise maßvoller, eher emotional begründeter Abschlag gewesen.