Steven Walter ist der Gründer des Podium Festivals Esslingen. Im Interview zur 10. Auflage spricht er über die Herausforderung das avantgardistische Musikfestival in die Zukunft zu tragen.

Esslingen - Steven Walter hat das Esslinger Podium Festival im Jahr 2009 erstmals auf die Beine gestellt. Der 31 Jahre alte Musiker und Veranstalter will sich trotz des großen Erfolgs die Freiheit erhalten, ein bisschen töricht zu bleiben. Im Interview spricht er über die Herausforderung, die Identität und das Wachstum des Musikfestivals in die Zukunft zu tragen.

 
Herr Walter, Sie haben das Podium Festival im Jahr 2009 in Esslingen aus der Taufe gehoben. Ein Wochenende, 700 Zuhörer, ein paar tausend Euro Umsatz – das war der Anfang. Wo steht das Festival heute?
Wir haben vom 26. April bis zum 5. Mai mehr als 80 internationale Künstler auf der Bühne. Sie spielen an 14 besonderen Orten in der Stadt, vom Eisenlager über das Amtsgericht bis hin zur Kindertagesstätte, insgesamt gibt es mehr als 30 Konzerte mit klassischer Musik. Unser Ziel ist, mindestens 4000 Karten zu verkaufen. Unser Umsatz liegt mittlerweile, alle Sonder- und Saisonprojekte sowie das Fellowship-Programm bebeethoven eingerechnet, bei mehr als einer Million Euro.
Wie erklären Sie sich den Erfolg ?
Es war von Beginn an unser Ziel, etwas Nachhaltiges aufzubauen und nicht nur von Projekt zu Projekt zu denken. Unser Erfolgsrezept ist eine Mischung aus internationalem Künstlertum und bodenständigem Unternehmertun.
Sie sind selbst Künstler und spielen Cello. Gleichzeitig bewegen Sie aber als Veranstalter und Unternehmer Millionenbeträge. Wie schaffen Sie es, Kunst und Kommerz unter eine Decke zu bringen?
Für mich ist es ein Teil des Musikschaffens, Dinge auf die Beine zu stellen und nicht nur auf meinen Einsatz zu warten. Das mache ich, seit ich 16 Jahre alt bin.
Wie sind Sie vom Musiker zum Veranstalter gekommen?
Mit Freunden aus dem Landesjugendorchester haben wir im Jahr 2005 einen Verein gegründet und ein Benefizkonzert für die Opfer der Tsunami-Katastrophe in Thailand organisiert. Das war der Anfang.
Neue Musik für junge Leute – damit sind Sie vor neun Jahren an den Start gegangen. Jetzt sind Sie und die Leute neun Jahre älter. Passt das noch zusammen?
Es stimmt, nichts ist weniger nachhaltig als die Jugend. Aber wir haben uns weiterentwickelt und machen mit einem Mehr an Erfahrung, Wissen und Können eine bessere Arbeit als vor neun Jahren. Häufig gibt es eine Diskrepanz zwischen der Musik und der Art, wie sie rüberkommt. Unser Ansatz ist es, diese Diskrepanz abzubauen. Das ist spannend und macht Podiumsveranstaltungen gerade auch für ein junges Publikum attraktiv.
Frank Sinatra singt, wer es in New York schafft, schafft es überall. Sie sagen, wer es in Esslingen schafft, schafft es überall. Das müssen Sie erklären.
Um bei dem Vergleich mal in Deutschland zu bleiben: In Berlin ist es nicht schwer, mit einem experimentellen Festival ein paar Hipster hinter dem Ofen hervorzuholen. Wenn man aber die Leute hier, in einem eher bürgerlichen Umfeld begeistern kann, dann kann das überall gelingen.
Sie sind mit dem Podium Festival inzwischen überall unterwegs, geben Gastspiele in ganz Europa. Welchen Stellenwert hat da Esslingen noch?
Das Podium Festival in Esslingen bleibt unser Flaggschiff, um das sich inzwischen mehrere überregionale Projekt bewegen. Es war unser Ziel, etwas Dauerhaftes aufzubauen und uns nicht von Projekt zu Projekt zu hangeln.
Stichwort dauerhaft. Werfen wir mal einen Blick in die Zukunft. Wie wird das Esslinger Podium Festival an seinem 20. Geburtstag aussehen ?
Wir wissen nicht, wie die Welt dann aussehen wird. Aber wir wissen, dass es auch dann noch Musik – und die Sehnsucht danach - geben wird. Aber in der Tat wird es die größte Herausforderung der nächsten Jahre sein, die Identität und das Wachstum des Festivals in die Zukunft zu tragen. Die Verführung, ab einer gewissen Größe gewisse Sachen geschmeidiger zu machen, ist groß. Wir wollen die Erneuerung fortsetzen und eine junge Organisation bleiben. Unser Pfund ist der Hunger, viel Enthusiasmus und die Freiheit, ein bisschen töricht zu bleiben.
Enthusiasmus, Freiheit, Torheit – ist es das, was das Publikum von dem Podium Festival 2018 erwarten darf ?
Ja. Wir wollen abbilden, was Musik alles kann. Derzeit wird in Esslingen an allen Ecken und Enden geprobt. Alle Akteure arbeiten auf den einen besonderen Moment hin, in dem etwas Einzigartiges entsteht, das uns aus dem Alltag rauskatapultiert. Dieser besondere Moment ist unsere Währung.

Das Gespräch führte Thomas Schorradt.