Der Ökumenischer Gottesdienst in der Stiftskirche kreiste am Altjahrabend um die Gegenwart von Krieg und Krisen.

Bereits im März hatte die Krankenschwester und Fotografin Julia Melnyk im Rahmen eines Friedensgebets in der Stiftskirche über die Lage in ihrer Heimat, der Ukraine, berichtet. Nun steht die 25-Jährige, die in Stuttgart lebt, wieder dort. Es ist Silvester und der Krieg ist immer noch in vollem Gange. Melnyk spricht über die Situation in der Hafenstadt Cherson. Ihr Wunsch: Feuerwerk möge für Ukrainer in möglichst naher Zukunft nicht mehr nach Bombardement klingen.

 

Der ökumenische Gottesdienst zum Jahresende steht unter dem Motto „Was bewegt die Stadt zum Jahreswechsel“. Der Fokus liegt klar auf dem Geschehen in der Ukraine, wo das neue Jahr begleitet von russischen Angriffen beginnen wird. Rund 10.000 Menschen, die vor dem Krieg fliehen mussten, haben eine Bleibe in Stuttgart gefunden. Einige von ihnen singen im Chor der Ukrainisch Griechisch-Katholischen Kirche des Heiligen Basilius, der den Gottesdienst musikalisch mitgestaltet. Lieber würden sie ihre Lieder in der Heimat anstimmen, sagt die Kantorin. Nun gelte es, für den Frieden zu kämpfen. Sie dankt für die Hilfsbereitschaft der Stuttgarter. Ein Beispiel: die Friedensfanfaren, ein Bläserensemble, das mit seinen Auftritten Geld für ukrainische Waisenkinder sammelt. Am Samstag tragen die Musiker ebenfalls zum Jahresausklang bei.

Religion muss sich in der Realität bewähren

Es ist an Dompfarrer Christian Hermes, den Krieg in Europa, die Lage in Afghanistan, im Iran oder in Armenien mit der Jahreslosung für 2023 zu vereinbaren: „Du bist ein Gott, der mich sieht“ (1. Mose 16,13). Hermes betont die Aufforderung, die in diesen Worten liegt. Es gelte, selbst die Augen zu öffnen. Wer angesehen werde, dürfe nicht wegsehen. Für den Stadtdekan bedeutet das, auch jene wahrzunehmen, die im Schatten leben und entsprechend zu handeln. Religion müsse sich in der Realität bewähren, betont er. Die im Altarraum ausgestellte Ikone eines ukrainischen Künstlers steht für diesen Bezug zum Leben. Statt auf heiligen Goldgrund ist sie auf den Deckel einer Munitionskiste gemalt.

Leider bedeute der Abschied von 2022 keinen Abschied vom Krieg, so Stiftspfarrer Matthias Vosseler. Der Blick in die Welt wirkt ernüchternd. Das letzte Wort haben die schlechten Nachrichten an diesem Altjahrabend nicht. „Kein Krieg hindert uns daran, die Geburt Jesu zu feiern“, betont Roman Wrusczak, Pfarrer der ukrainischen Gemeinde in Stuttgart und fügt hinzu, Weihnachten sei immer die Geburt einer Hoffnung. Die wird vom Schlusslied des Gottesdienstes unmissverständlich unterstrichen: „Verleih uns Frieden gnädiglich“.