Neue John-Cranko-Stiftung Crankos Ballette sind gesichert
Am Freitag präsentierte der ehemalige Stuttgarter Ballettintendant Reid Anderson das Kuratorium der neuen John-Cranko-Stiftung. Sie soll das Lebenswerk des Choreografen fördern und erhalten.
Am Freitag präsentierte der ehemalige Stuttgarter Ballettintendant Reid Anderson das Kuratorium der neuen John-Cranko-Stiftung. Sie soll das Lebenswerk des Choreografen fördern und erhalten.
Stuttgart - Auf diesen Tag haben viele in Stuttgart gewartet. Mancher durfte ihn nicht mehr erleben wie der 2012 verstorbene Ballettkritiker Horst Koegler. Der hatte immer wieder Dieter Gräfe, den Alleinerben des Stuttgarter Ballettgründers John Cranko, kritisiert: Gräfe solle nicht nur die Einnahmen aus den Rechten an weltweit getanzten Balletthits wie „Onegin“ kassieren, sondern damit Tanzschaffende fördern und vor allem Crankos Erbe für die Zukunft sichern.
Oft hatte Gräfe entsprechende Pläne angekündigt, aber nie in die Tat umgesetzt. Und so kam es einem Paukenschlag gleich, als Gräfes Lebenspartner, der ehemalige Stuttgarter Ballettintendant Reid Anderson, bei der Eröffnung des Neubaus für die Cranko-Schule im September vergangenen Jahres just die Gründung einer solchen John-Cranko-Stiftung verkündete.
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Sie sei amtlich bestätigt. „Herr Gräfe und ich sind die Stifter. Zweck dieser Stiftung soll sein“, so Anderson damals, „John Crankos Lebenswerk zu erhalten und zu fördern.“ Ihre Einnahmen werden neben der Pflege von Crankos Balletten allein der Schule zufließen, die Cranko 1971 gründete und die seit seinem Tod 1973 seinen Namen trägt.
Die Pressekonferenz, auf der Ziele und Aufbau der Stiftung vorgestellt werden sollten, konnte pandemiebedingt erst an diesem Freitag auf der Probebühne im neuen Haus der Cranko-Schule stattfinden. Terminlich passt das, die Schule feiert am 1. Dezember 2021 ihren 50. Geburtstag.
Als Vertreter der Stiftung saß Reid Anderson allein auf der Bühne; sein Mitstifter Dieter Gräfe musste erkrankt absagen. Dafür war fast das komplette Kuratorium im Publikum anwesend. Dem Vorstand gehört neben den beiden Stiftern der ehemalige Tänzer Krzysztof Nowogrodzki an, aktuell Ballettmeister und Produktionsleiter des Stuttgarter Balletts.
Auch das fünfköpfige Kuratorium ist mit dem Werk Crankos bestens vertraut: Marcia Haydée als Ballerina Crankos und langjährige Ballettdirektorin, die Tänzerin Yseult Lendvai als Interpretin und internationaler Coach seiner Werke, Tamas Detrich als Tänzer und aktueller Ballettintendant, Tadeusz Matacz als Leiter der Cranko-Schule und Marc-Oliver Hendriks als Geschäftsführender Intendant der Stuttgarter Staatstheater.
„Wir wollten das Kuratorium personell klein halten, um flexibel zu sein und schnell reagieren zu können“, erklärt Anderson und deutet mögliche Entscheidungen an: Welche Kompanie darf ein Werk Crankos zu welchen Konditionen tanzen? Wer studiert es ein? Wie viele Stipendien kann die Cranko-Schule vergeben? Wem könnte man choreografische Gastaufenthalte an der Schule ermöglichen? Welche Projekte können unterstützt werden, die das normale Schulbudget nicht abdeckt wie etwa ein Gastspiel?
Auch einen dotierten Preis für Choreografie will die Stiftung ins Leben rufen. Über die Höhe ihrer Einnahmen wollte sich Anderson ebenso wenig äußern wie über das Stiftungskapital. „Es braucht einen gewissen Betrag, wir sind darüber“, so Anderson lapidar. Das Land Baden-Württemberg empfiehlt, eine Stiftung mit 200 000 Euro auszustatten, damit sie sinnvoll arbeiten kann.
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Anderson und Gräfe war wichtig, für den Fall ihres Todes das eigene Engagement für das Werk Crankos fortgesetzt und geregelt zu wissen. Von Oslo bis Seoul, von Chile bis St. Petersburg werden seine Ballette getanzt. „Wir wollen, dass es so bleibt, deshalb diese Stiftung“, sagt Anderson. Warum sie erst jetzt gegründet wird? Ausschlaggebend, so Anderson, sei das Bekenntnis der Politik gewesen. „Der Neubau der Schule war ein wichtiges Zeichen.“
Auch Spenden sammeln will die Stiftung fortan und wird das immer stärker tun müssen, da die Einnahmen aus Tantiemen befristet sind: Das Urheberrecht erlischt 70 Jahre nach dem Tod eines Künstlers, im Fall von Cranko also 2043.