Nur ein Vorzeigeprojekt? Nach zehn Jahren sind die Kritiker der Stiftung Kinderland verstummt. Mehr als 20 Millionen Euro sind in Projekte geflossen, die Kinder und Familien stärken sollen.

Stuttgart - Der Anfang war bombastisch. Mit einem Kinderfest in der Villa Reitzenstein gab der damalige Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) 2005 den Startschuss für die Stiftung Kinderland. Mehr als tausend Kinder bildeten die muntere Kulisse für die Unterzeichnung der Gründungsurkunde der Stiftung Kinderland, die nach wie vor „einmalig in Europa“ ist, wie Christoph Dahl, der Geschäftsführer der Baden-Württemberg Stiftung, sagt. Das Projekt, das 2015 sein zehnjähriges Bestehen feiern kann, dient dem Ausbau kinder- und famlienfreundlicher Strukturen in Baden-Württemberg und ist eine Unterstiftung der Baden-Württemberg Stiftung.

 

„Ein Hochglanzprojekt ohne familienpolitisches Gesamtkonzept“, kritisierten vor allem die damals oppositionellen Grünen. Genährt wurde der Verdacht noch durch einen aufwendigen Kongress oder durch diverse Galaveranstaltungen zur Sponsorengewinnung.

Potenzielle Stifter blieben allerdings zurückhaltend. Begonnen mit einem Stiftungskapital von 50 Millionen Euro verfügt das Kinderland inzwischen mehr als 51,3 Millionen Euro. Der Initiator Oettinger hatte zu Beginn eine Verdoppelung des Stiftungskapitals für möglich gehalten.

Mehr als 20 Millionen Euro fließen in die Projekte

Seit 2005 hat die Stiftung nach eigenen Angaben innovative, gemeinnützige Programme und Modellprojekte mit 21,2 Millionen Euro bewilligt. Von Anfang an gefördert wurden pädagogische Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche während der Ferien. Sie dienten stets auch dem Zweck, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, doch die pädagogischen Inhalte umfassten ein breites Spektrum. Sie reichten vom sozialen Engagement für benachteiligte Menschen, bis zu Inklusion und Demokratie. Das sind zwei Oberbegriffe, die die Angebote in der dritten Auflage des Programms dominieren. Der dritte Durchgang hat Anfang 2014 mit 33 neuen Projekten begonnen. In den beiden ersten Auflagen waren insgesamt 79 Modelle gefördert worden.

Anschubfinanzierungen gibt es auch für Gärten für Kindertagesstätten. Seit 2009 haben sich 430 Einrichtungen im Land am Programm „Gartenland in Kinderhand“ beteiligt. Ein Vorzeigeprojekt ist die 2010 gegründete Kulturakademie der Stiftung Kinderland, die auf eine Idee von der früheren Kultusministerin Marianne Schultz-Hector (CDU) zurückgeht. Schüler der Klassen sechs bis acht werden in den Bereichen Bildende Kunst, Literatur, Musik aber auch in den Mint-Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik gefördert. Schulen können maximal zwei Schüler pro Jahrgang nominieren. Gegenwärtig läuft noch die Bewerbungsfrist für den sechsten Jahrgang, sie endet am 6. März. Die 20 ausgewählten Schüler werden in den Faschings- und in den Sommerferien zu Kreativwochen eingeladen. Kooperationspartner sind die Akademie Schloss Rotenfels für die bildende Kunst, das Deutsche Literaturarchiv Marbach, die Landesakademie für die musizierende Jugend in Ochsenhausen und der Förderverein Science und Technologie in Rust. Der fünfte Jahrgang feiert am 21. Februar seine Abschlussveranstaltung im Haus der Wirtschaft. Die Kulturakademie gehöre zu den bundesweiten Preisträgern im Wettbewerb „Ideen für die Bildungsrepublik“, vermeldet die Baden-Württemberg Stiftung.

Schneller und effizienter als der Staat

Doch auch skeptische Stimmen werden laut. Ob man denn auch die richtigen Kinder erreiche mit der Stiftung Kinderland, fragen sich Kritiker insgeheim, oder ob gerade die Kulturakademie nicht vornehmlich die Kinder des Bildungsbürgertums unterstütze. Auch die Ferienprogramme werfen für manchen, der lieber nicht genannt werden will, die Frage nach der Nachhaltigkeit auf.

Christoph Dahl von der Baden-Württemberg Stiftung lässt schon kraft seines Amtes gar nichts auf die Stiftung Kinderland kommen. Die Stiftung nehme den Spruch „Kinder sind das beste was wir haben, ernst“, betont Dahl. Das Kinderland unterstütze „vor allem diejenigen Kinder und Jugendliche, denen es nicht so gut geht“, nimmt er den Kritikern den Wind aus den Segeln. Als Unterstiftung helfe sie, wie die Baden-Württemberg Stiftung selbst auch, „schneller, effizienter und unbürokratischer als der Staat“.

Silke Krebs, grüne Staatsministerin und als solche seit November 2011 Vorsitzende des Stiftungsrats von Kinderland, bestätigt zwar, dass es in den Anfangsjahren die Befürchtung gegeben habe, die Stiftung Kinderland biete „mehr Hochglanz als Inhalt“. Doch, so Krebs, „damit ist man der Stiftung auch früher nicht gerecht geworden“. Mit den Jahren habe Kinderland „vor allem im sozialen Bereich an Klarheit gewonnen.“ Doch auch das ist kein Neuland für die Stiftung. Schon seit 2007 trägt sie dazu bei, dass junge Familien bei Bedarf durch kompetente Berater unterstützt werden. So genannte Familienbesucher werden nach einem von der Universitätsklinik Ulm entwickelten Curriculum geschult. Das Programm steht allen Kommunen im Land kostenlos zur Verfügung. Andere Beispiele sind Unterstützungsangebote für Kinder von psychisch kranken oder suchtkranken Eltern oder der Einstieg in ein kommunales Gesundheitsmanagement.

Alle Kinder sollen erreicht werden

Der Stiftungsrat wird von 15 Mitgliedern des Stiftungskuratoriums beraten. Im Jahr 2014 zogen acht Mitglieder neu in das Kuratorium ein. Das stärke die Fachkompetenz des Beratungsgremiums, heißt es aus dem Stiftungsrat. Mitglieder sind beispielsweise Wissenschaftler wie Kinder- und Jugendpsychiater oder Hirnforscher, Vertreter der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Mädchenpolitik und der LAG Jungenpolitik, der Kirchen und der Liga der freien Wohlfahrtspflege.

Stiftungsrat und Kuratorium debattieren intensiv, berichtet Silke Krebs, „wie man passgenaue Angebote schaffen kann, um wirklich alle Kinder zu erreichen“. Auch die Grünen haben – zumindest was Silke Krebs angeht – mit der Stiftung ihren Frieden gemacht. „Die Stiftung ist ein wahrer Schatz. Angesichts ständig neuer Aufgaben ist es etwas wert, Geld für Innovationen zu haben“, sagt die Staatsministerin.

Davon, die Stiftung aufzulösen, spricht längst niemand mehr. Das gilt auch für die Grünen und die Sozialdemokraten.