Sie sind leicht, handlich und bieten einen hohen Lesekomfort: Doch wie groß sind die Qualitätsunterschiede zwischen Kindle, Tolino und Co.? Die Stiftung Warentest hat neun E-Reader getestet und klärt über die Vor- und Nachteile auf.

Berlin - Wer gerne liest, hat die Qual der Wahl. Mehr als 70 000 Neuerscheinungen kommen hierzulande jedes Jahr auf den Markt. Wer vom analogen auf das digitale Lesen umsteigen möchte, muss sich ebenfalls gut überlegen, welches Gerät er erwirbt, da er damit auch ein bestimmtes System wählt. Die Stiftung Warentest leistet in der aktuellen Ausgabe ihres Magazins „test“ (5/2020) Entscheidungshilfe.

 

Was ist besser: Kindle von Amazon oder Tolino?

Amazons Kindle-Reader bekommen von der Stiftung Warentest Bestnoten für Verarbeitung, Benutzerfreundlichkeit und Technik. Wer sie nutze, sitze aber im goldenen Käfig. Der Grund: E-Books kann man nur beim US-Versandriesen kaufen, denn Amazon benutzt einen eigenen Kopierschutz. Das bedeutet auch, dass man elektronische Bücher nicht weitergeben, verleihen oder aus öffentlichen Bibliotheken entleihen kann. Beim Buchkauf fährt man mit beiden Systemen in etwa gleich. Nicht berücksichtigt wurde allerdings der Umstand, dass die Auswahl an englischsprachigen, teilweise sehr preisgünstigen Titeln bei Amazon konkurrenzlos ist. Auch ein Kindle-Unlimited-Abo, über das man für rund zehn Euro monatlich mehr als eine Million Titel kostenlos lesen kann, könnte für Vielleser interessant sein. Bei Tolino und den anderen Modellen genießt man größere Freiheit und kann beim Buchhändler seiner Wahl einkaufen. Über die sogenannte Onleihe öffentlicher Bibliotheken ist auch kostenloses Ausleihen möglich. Vom Kopierschutz, der eine Weitergabe verhindert, sind die meisten Verlage abgerückt.

Welches Gerät überzeugt technisch?

Testsieger ist – knapp vor dem Kindle Oasis 2019 (1,7) – der Tolino Epos 2 (Qualitätsurteil 1,6). Mit einem Preis von knapp 300 Euro ist es auch das teuerste Gerät im Test. Der Oasis ist mit 230 Euro der teuerste Kindle-Reader. Die Handhabung, die mit 40 Prozent in die Gesamtwertung einfloss, wird nur bei den Tolinos und beim Pocketbook Touch HD 3 mit „gut“ bewertet, die aller anderen Geräte nur mit „befriedigend“. „Amazons Kindle hat beim Prüfpunkt ‚Bücher laden und anzeigen aus anderen Quellen‘ nur ausreichend abgeschnitten“, erklärt Sandra Schwarz vom Team Multimedia der Stiftung Warentest auf Nachfrage. Denn E-Books für Kindle-Reader ließen sich bis auf ganz wenige Ausnahmen nur bei Amazon und nicht beim Buchhändler der Wahl kaufen. Darüber hinaus bleibe der Zugang zu öffentlichen Bibliotheken verwehrt. Beide am besten bewertete Geräte besitzen Umblättertasten und sind daher etwas größer. Der Tolino fällt laut den Testern „zu klobig für Fans kompakter E-Book-Reader“ aus. Die Bildqualität bewerten sie beim Kindle Oasis 2019, dem Kindle Paperwhite 2018, dem Tolinio Epos 2 und dem Kobo Libra H20 mit „sehr gut“, alle anderen Modelle schneiden hier mit „gut“ ab.

Was sollte man bei der technischen Ausstattung beachten?

Beim Kauf gilt es, sich für eine Speichergröße zu entscheiden. Es gibt Modelle mit 8, 16 und 32 GB. Bei keinem der Geräte lässt sich der Speicherplatz erweitern. Dafür bieten Amazon wie auch Tolino einen Cloud-Speicher an, in den sich auch eigene Inhalten hochladen lassen. Das funktioniert bei Amazon unter anderem mit eigenen PDFs, nicht aber mit E-Books im ePub-Format, die auf Kindle-Readern nicht angezeigt werden können. Die Akkulaufzeit ist beim Touch HD 3 und Inkpad 3 Pro von Pocketbook mit 79 bzw. 74 Stunden mit weitem Abstand am größten, gefolgt vom Kindle Oasis (41 Stunden) und Kindle Paperwhite (31 Stunden). Die Akkulaufzeit des Tolino-Spitzenmodells ist nur „befriedigend“, was auch mit der Größe des Displays zusammenhängt. Letzteres macht das Gerät aber auch besonders geeignet für ältere Leser, die Buchstaben stark vergrößern müssen. Einen Wasserschutz bieten nur die teureren Modelle über 100 Euro, eine integrierte Hörbuchfunktion bringen alle aktuellen Kindle-Modelle und die Geräte von Pocketbook mit, nicht aber die Tolinos.

Was taugen die Lese-Apps für Tablet und Smartphone?

Wer die Ausgabe für einen ausgewiesenen E-Reader scheut, kann auch über die von Amazon wie auch von Tolino gratis angebotenen Apps lesen. Laut Stiftung Warentest ist die Handhabung durchweg „befriedigend“. Probleme bereiten eher die benutzten Geräte, da sie eben nicht auf das Lesen von E-Books ausgerichtet sind. So leide bei prallem Sonnenschein die Darstellung. Fazit der Tester: „Vielleser schmökern auf E-Book-Readern komfortabler als mit Lese-Apps. Gelegenheitslesern dürften die kostenlosen Apps für Handys und Tablets reichen.“ Im Test nicht berücksichtigt wurden die Kindle-Fire-Tablets von Amazon. Sie punkten mit vielen Zusatzfunktionen wie mit der Nutzung von Streamingdiensten sowie mit Farbdisplays.

Woher bekommt man den Lesestoff?

Literarische Klassiker erhält man als E-Book oft kostenlos – etwa auf Amazon.de, Thalia.de oder Readfy.com. Eine günstige Möglichkeit, an Bücher zu kommen, ist, E-Books, Zeitschriften und Zeitungen in Online-Bibliotheken auszuleihen. Allerdings ist das Leihen mit Kindle-Readern nicht möglich. Online-Buchhändler halten die größte Auswahl an Titeln bereit. In der Regel ist ein E-Book 20 Prozent günstiger als die Papierversion. Für Vielleser gibt es auch E-Book-Abonnements für zehn bis 15 Euro im Monat.