Stiftungen aus Stuttgart helfen Neue Pioniere der Entwicklungshilfe
Mit eigenen Ideen wollen private Stifter die Hilfe für ärmere Ländern verbessern: Gleich drei davon sind aus Stuttgart. Sie exportieren Wissen.
Mit eigenen Ideen wollen private Stifter die Hilfe für ärmere Ländern verbessern: Gleich drei davon sind aus Stuttgart. Sie exportieren Wissen.
Stuttgart - Wer Armut bekämpfen will, kann jammern und auf Plakaten mit großen Kinderaugen die Betroffenheit über das Elend in der Welt wecken. Aber diese Zeiten sind vorbei, und wer die Einladung der Stiftung „Stay – Unternehmer für Unternehmer“ aus Stuttgart für das alle zwei Jahre stattfindenden Galadinner am Dienstag im Römerkastell von Stuttgart liest, der denkt: Spenden kann auch schön sein. Jedenfalls ist von einem köstlichen Menü und einem guten Tropfen die Rede, der Eintrittspreis beträgt 35 Euro, und die Spendenbitte beziffert sich auf 100 Euro. Das Ziel des Ganzen ist in Englisch verpackt: „End poverty“ – beendet die Armut.
Während sich kirchliche Entwicklungsorganisationen den Mantel des barmherzigen Samariters überstreifen, ist die 2013 vom Betriebswirt Benjamin Wolf gegründete Stiftung von solchen Zwängen befreit. Sie entsprächen nicht dem Konzept. Wolf hat mal eine Gesundheitsstation in Ecuador geleitet und ist zur Überzeugung gelangt, dass die seit fünf Jahrzehnten laufende klassische Entwicklungshilfe – ein Partner beantragt Geld für ein Projekt, ist das ausgegeben, beantragt er neues – gescheitert sei. Die Einheimischen sollten selbst Entwicklungshelfer sein, nur dann gelinge nachhaltige Entwicklung, das ist Wolfs Credo. Der Mann mit dem Zopf sitzt an einem langen Holztisch in seinem Büro in Stuttgart-West und sagt: „Es gibt auch in ärmeren Staaten Menschen mit einem Masterabschluss in Sozialarbeit oder in Business Administration, die persönlich aufs große Geld verzichten und die Armut bekämpfen. Mit denen arbeiten wir, und zwar auf Augenhöhe.“
Konkret fördert Stay sogenannte Sozialunternehmen, die ihre Gewinne in ein gemeinnütziges Vorhaben stecken. Und die gebe es auch in Afrika. In Uganda, Kenia und Ruanda, wo Stay am stärksten verankert ist, werden 70 Sozialunternehmen bei den Personalkosten und in der Vernetzung, also der Gründung eines Dachverbandes und der Zusammenarbeit miteinander gefördert. Eines der Vorzeigeprojekte ist das der Uganderin Fredica, die mit ihrer Organisation Ruhpai rund 70 Gesundheitshelfer ausgebildet hat, die über die Dörfer ziehen und Grundkenntnisse in Hygiene und Medizin vermitteln. 12 000 Menschen wurden damit erreicht.
Auch landwirtschaftliche Bildungsvorhaben sind vielversprechend: So berichtet Wolf, dass in Uganda vom Unternehmen Goldene Biene 2300 Familien zu Imkern ausgebildet worden seien. Mit dem Angebot des Honigs sei auch die Nachfrage gestiegen, in der Hauptstadt Kampala sei die zurzeit gar nicht zu befriedigen. Oder ein Projekt mit Kochbananen, ein beliebtes Grundnahrungsmittel in Uganda, sehr schmackhaft in Tomatensoße: „Landwirtschaftstrainer zeigten den Bauern, wie sie bei Bananenstauden die Triebe radikal stutzen und Naturdünger ausbringen konnten. Es gab Ertragssteigerungen um bis zu 300 Prozent.“ Das Ziel aller Projekte ist, sich eines Tages selbst zu finanzieren. Der Dachverband in Uganda (Stay Alliance) hat nun einen Pool guter Geschäftsideen, aus denen sich die Mitglieder bedienen können.
Stay hat mittlerweile prominente Unterstützer gewonnen, die Schirmherrin ihrer Gala ist die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Auch Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) lobt: „Die Vergangenheit hat bewiesen, dass Ideen aus Stuttgart die Welt verändern können. Stay hat eine mutige Vision, ein gut durchdachtes, neuartiges Konzept.“ Ideen für Entwicklung haben in Stuttgart Tradition. Hier ist 1973 von Brot für die Welt – die hier lange ihren Sitz hatte – der erste Weltladen für fairen Handel gegründet worden, in Leinfelden-Echterdingen saß das Missionswerk Dienste in Übersee.Auch Fairventures sitzt in Stuttgart. Die auf die Wiederaufforstung von abgeholzten und brachliegenden Flächen in Indonesien und Uganda spezialisierte gemeinnützige GmbH begann als Entwicklungsorganisation und hat nun auch den Klimaschutz im Portfolio. Der Remstäler Johannes Schwegler hatte lange als Dozent an einer Holzfachschule auf Borneo gearbeitet, vor ein paar Jahren gründete er Fairventures mit weltweit 35 Mitarbeitern, davon neun in Deutschland. „Auf degradierten Flächen pflanzen Kleinbauern schnell wachsende Bäume und Zwischenfrüchte wie Kakao oder Erdnüsse“, schildert Fairventures-Projektentwickler Wolfgang Baum das Konzept. Die Wiederaufforstung dient dem Klimaschutz und garantiert den Bauern auf Borneo ein Einkommen, das über dem Mindestlohn liege: Die Zwischenfrüchte lassen sich rasch vermarkten, die Bäume können nach sechs oder sieben Jahren geschlagen und verkauft werden. Nachdem Fairventures eine Million Bäume gesetzt hat, will die Gesellschaft von 2020 an ein neues Ziel anstreben: 100 Millionen Bäume zu pflanzen. Ist Stay ein Konkurrent? „Nein, wir sprechen über eine Kooperation in Uganda“, sagt Baum.
Fest etabliert in der Szene ist auch die Stiftung Manager ohne Grenzen, gegründet vor zehn Jahren von der Stuttgarter Betriebswirtin Helene Prölß. Sie hat ehrenamtlich bereits 250 Manager oder Führungskräfte an 200 kleine und mittlere Unternehmen in 30 Länder – vorwiegend Afrika – geschickt: für Einsätze von vier Wochen bis drei Monaten. Die Fachleute beraten Firmen, helfen Start-ups, durchleuchten Handelsstrukturen und geben Tipps in der Betriebsführung. Das führt zu enormen Umsatzsteigerungen. „Dieses Jahr hatten wir vier Leute von Hugo Boss im Einsatz, in Kolumbien, Kamerun, Ghana und Uganda“, sagt Prölß. Den Mittelstand zu entwickeln sei die beste Art der Armutsbekämpfung.