Der Aufsichtsratschef des Motorsägenherstellers sieht bis frühestens 2030 keine Perspektive für die neue Werkshalle in Ludwigsburg. Oberbürgermeister Matthias Knecht hatte auf eine Entscheidung bis 2027 gehofft, bleibt aber optimistisch.

Ludwigsburg : Emanuel Hege (ehe)

Ein aktuelles Interview mit dem Stihl-Aufsichtsratschef Nikolas Stihl lässt die Stadtverwaltung Ludwigsburg in dieser Woche aufhorchen. Der Chef des Kettensägenherstellers aus Waiblingen wettert darin gegen die aktuelle Wirtschaftspolitik und lähmende Bürokratie. Der Standort Deutschland sei so unattraktiv, dass Stihl Investitionen weiterhin zurückhält – auch in Ludwigsburg.

 

Hoffnung in Bundestagswahl

Das Unternehmen wolle die Entwicklungen bis 2030 abwarten und erst dann entscheiden, ob das neue, innovative Werk 5 in der Ludwigsburger Weststadt gebaut wird. Für Matthias Knecht ist das eine Neuigkeit: „Wir sind bisher davon ausgegangen, dass wir 2027 Bescheid wissen, ob Stihl eine Zukunft in Ludwigsburg hat.“ Ein erneuter Rückschlag, doch der Oberbürgermeister setzt Hoffnungen in die Bundestagswahl.

So sollte es eigentlich auf der Gänsfußallee in Ludwigsburg aussehen. Doch die Pläne für das moderne Stihl-Werk liegen auf Eis. Foto: Stihl

2022 stellte Stihl den Plan für einen modernen Produktionsstandort in der Ludwigsburger Weststadt vor. Das alte Werk 5 auf dem 35 000 Quadratmeter großen Areal sollte einer neuen Gewerbeimmobilie der Zukunft weichen. Doch schon Ende 2023 drehte sich der Wind. Erst verkündete Stihl, dass nach Alternativen gesucht werde. Wegen gestiegener Bau- und Energiekosten sowie einer „unerwartet hohen Investitionssumme“ wurde das Projekt einige Monate später dann komplett auf Eis gelegt.

Bürokratie lähmt die Industrie

Im Interview mit der Augsburger Allgemeinen Zeitung erklärt Aufsichtsratschef Nikolas Stihl die Probleme des Unternehmens an den deutschen Standorten. Die Industrie sei durch die überbordende Bürokratie nahezu gelähmt, die Folge sei unter anderem, dass immer mehr Arbeitsplätze verloren gehen. „Die Deindustrialisierung droht nicht mehr, sie ist in vollem Gange.“

Es sei mittlerweile günstiger, in der Schweiz zu produzieren als in Deutschland, sagt Stihl. Die Produktion, die eigentlich in Ludwigsburg angesiedelt werden sollte, könnte demnach auch in die Schweiz abwandern, sagt der Unternehmer und setzt ein Ultimatum: „Die Politik hat jetzt bis 2030 Zeit. Dann treffen wir die Standort-Entscheidung.“

Das Stihl-Gelände in der Weststadt nach dem Abriss des alten Werks 5. Foto: Werner Kuhnle

Erst vor zwei Wochen habe er mit dem zuständigen Stihl-Vorstand telefoniert, sagt Oberbürgermeister Matthias Knecht. Der Kontakt zum Kettensägenhersteller sei sehr gut. „Dass intern die Entscheidung auf 2030 terminiert wurde, wusste ich aber nicht.“ Knecht bedauert den Stihl-Zeitplan in mehrerlei Hinsicht. Zum einen klafft für mindestens fünf weitere Jahre eine große Baubrache in der Ludwigsburger Weststadt.

Sorge über Wirtschaftsstandort Ludwigsburg

Zudem geht der Stadt über Jahre wichtige Gewerbesteuereinnahmen verloren, den genauen Betrag könne er aber nicht nennen, sagt Knecht. Vor allem bedauert der Oberbürgermeister aber die Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Ludwigsburg: „Es wäre hilfreich, wenn die Weltmarke Stihl hier noch mal investiert.“

Die Stadtverwaltung werde sich weiterhin für eine Stihl-Zukunft in Ludwigsburg einsetzen, sagt Knecht. Der OB bleibt optimistisch und interpretiert die neuesten Aussagen als positives Zeichen: Das neue Werk 5 sei immerhin noch nicht vom Tisch. „In Blickrichtung Stihl will ich sagen“, so Knecht hoffnungsvoll. „Wenn sich durch eine neue Regierung schnelle positive Entwicklungen ergeben, muss man ja nicht unbedingt bis 2030 warten.“

Bisher keine Zwischennutzung für Stihl-Gelände

Begrünung
Die Baubrache in der Weststadt fällt aktuell nicht besonders negativ ins Auge. Das ist dem Stadtteilausschuss Weststadt zu verdanken, der bewirkt hat, dass Stihl die Fläche im vergangenen Jahr mit Weidelgras begrünt hat. Das soll Insekten Lebensraum geben und Hitze vorbeugen. „Mit der nun folgenden Entwicklungspflege wie Mulchen, Bewässerung usw. stellen wir sicher, dass die Fläche sich wie gewünscht entwickelt“, schreibt eine Sprecherin des Unternehmens.

Nutzung
Die Stadtverwaltung ist laut Matthias Knecht offen für eine Zwischennutzung des Geländes, Anfragen habe es bereits gegeben. Stihl sieht derweil keine Möglichkeit für eine Nutzung durch die Stadt oder ein anderes Unternehmen in den kommenden Jahren: „Eine Übergangsnutzung ist nicht geplant. Das Gelände bleibt umzäunt und kann aus versicherungsrechtlichen Gründen nicht frei zugänglich sein.“