Roland Blach ist Friedensstifter von Beruf. Der 44-jährige Familienvater setzt sich gegen Krieg, Gewalt und für die Abschaffung aller Atomwaffen ein.

Stuttgart - Wer zu Roland Blach möchte, kommt um die „Anstifter“ nicht herum. Aber das ist kein Beinbruch, im Gegenteil: Die Stuttgarter Bürogemeinschaft der Deutschen Friedensgesellschaft und Vereinigten Kriegsdienstgegner, deren Landesgeschäftsführer Roland Blach ist, mit dem Bürgerverein der Anstifter, der seinerseits eng mit dem Namen Peter Grohmann verknüpft ist, bildet so etwas wie eine ideelle Symbiose. Und da lässt sich der Bogen locker von der Aufmunterung zur Zivilcourage bis zum Eintreten für den Rüstungsstopp schlagen.

 

Einer ausdrücklichen Anstiftung zur konsequenten Friedensarbeit hat es freilich bei Roland Blach nicht bedurft. Aufgewachsen in Kornwestheim, absolvierte er nach dem Abitur und dem Zivildienst eine Ausbildung zum Mediator und war mit 25 Jahren bundesweit der Jüngste seines Fachs. Seit 1996 ist Blach in den Reihen der Friedensbewegung zu finden, wo er sich schwerpunktmäßig um Fragen der atomaren Abrüstung kümmert. Die Geschäftsführung des insgesamt 800 Mitglieder zählenden Landesverbands hat er vor zwölf Jahren übernommen.

Was sich nach einer zügigen Laufbahnplanung anhört, hat indes eine Vorgeschichte mit ganz spezifischer persönlicher Einfärbung. Die Eltern kamen als Heimatvertriebene aus Schlesien, der Vater, ein Mechanikermeister, war kirchlich engagiert und unter christdemokratischem Vorzeichen auch gewerkschaftlich „verortet“, wie es Roland Blach rückblickend ausdrückt. Der Wertkonservatismus im Sinne des Bewahrens war also quasi familiär angelegt, doch als Heranwachsender tastete sich der Jungspund erst einmal durch eine zunehmend unruhiger werdende Zeit und Welt. Schlagworte wie Nato-Doppelbeschluss und das Kalte-Krieg-Geklingel vom Gleichgewicht des Schreckens geisterten durch die Medien, als Antwort auf die sowjetischen SS-20-Mittelstreckenraketen brachte der Westen die Pershing II ins Gespräch – und dann bald auch in Stellung.

Tschernobyl verändert viel bei ihm

Mit den Raketenplänen wuchs freilich auch der Widerstand unter der Bevölkerung. Als sich im August und September 1983 von Heinrich Böll bis Walter Jens, von Günter Grass bis Helmut Gollwitzer prominente Denker aus der ganzen Republik vor den Toren der Mutlanger Heide versammelten, um mit Tausenden von Demonstranten gegen die dortige Stationierung der amerikanischen Pershing II zu protestieren, da gingen die Bilder um die ganze Welt. „Damals war ich ein 14-jähriger, pubertierender Fußballfan des VfB“, sagt Roland Blach.

Und somit bringt er rückblickend auch mit dem 22. Oktober desselben Jahres, als 400 000 Nachrüstungsgegner zwischen Stuttgart-Vaihingen und Neu-Ulm eine Menschenkette bildeten, hauptsächlich den für die Stuttgarter Ballkünstler triumphalen Sieg über die Konkurrenz aus München in Verbindung. Gleichwohl, so Roland Blach, habe ihn schon damals die atomare Bedrohung „innerlich beschäftigt und aufgewühlt“, zumal der vier Jahre ältere Bruder mit „grünen Ideen“ die häuslichen Debatten von Fall zu Fall zusätzlich belebt hatte. Spätestens mit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl im April 1986 münzt Roland Blach das „unsichere Gefühl“ in eine Handlungsmaxime um, nämlich dem atomaren Schreckensszenario in jedweder Form aktiv, aber gewaltfrei zu begegnen.

Aus dem Mediator wird der Koordinator. Als Geschäftsführer des Friedensbewegung-Landesverbands bringt Roland Blach ein ganzes Geflecht aus Kampagnen und Aktionen auf den Weg, wobei es für Außenstehende nicht immer einfach ist, die Organisationsstrukturen zu durchschauen. Je nach Thematik finden sich unterschiedliche Friedensgruppierungen zusammen und bilden sogenannte Trägerkreise und Bündnisse. Allein 50 Gruppen aus der ganzen Republik stehen etwa hinter der Kampagne „Atomwaffenfrei jetzt“, die – koordiniert von Roland Blach – schon seit zwei Jahren läuft und bis 2015 andauern soll.

Knackpunkt und Prüfstein sind dabei mindestens 20 taktische Atomwaffen, die nach Einschätzung dieses Friedensbündnisses auf dem Gelände eines deutschen Militärflugplatzes im rheinland-pfälzischen Büchel gelagert, von Amerikanern bewacht und unter Verschluss gehalten werden.

Ein Aufruf zur „zivilen Inspektion“ bringt ihn vor Gericht

An dem Fall Büchel sind die Friedensfreunde schon länger dran, erst im vergangenen August war das Areal Zielpunkt einer Blockade, und bei den Ostermärschen in diesem Jahr will man es wieder ansteuern. Denn statt wie geplant die Sprengköpfe durch eine Skalierung zu modernisieren, sollten sie ganz aus dem Land verschwinden, fordert das Bündnis, zudem solle sich die deutsche Bundesregierung für ein internationales Verbot von Nuklearwaffen einsetzen.

Mit seinen Friedensaktivitäten hat sich Roland Blach schon verschiedentlich einen Termin vor dem Kadi eingehandelt. Einmal habe ihn beim Versuch, gemeinsam mit anderen Friedensaktivisten das Bücheler Gelände einer „zivilen Inspektion“ zu unterziehen, schon am Zaun „der Mumm verlassen“. Der Aufruf zu der Aktion genügte freilich, um Blach wegen der Anstiftung zum Hausfriedensbruch zu einer Geldstrafe von 1800 Euro zu verdonnern. Das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg ist dann allerdings bei einer Berufungsverhandlung vor dem Landgericht auf eine Geldstrafe von 600 Euro gedrückt worden, ausgesetzt zur Bewährung. Wenn der 44-jährige Familienvater seine Motivation erklärt, hört sich das so an: „Da der Internationale Gerichtshof in Den Haag die Androhung und den Einsatz von Kernwaffen als völkerrechtswidrig eingestuft hat, sehen wird uns als ehrenamtliche Gerichtsvollzieher.“

Wenn auch schon rein aus Altersgründen Mutlangen und die heiße Blockadephase gegen die Pershing-Raketen an Roland Blach vorbeigegangen ist, so ist doch auch für ihn der Name der Ostalbgemeinde eine wichtige zeitgeschichtliche Chiffre im Kampf gegen die in seinen Augen wahnwitzige atomare Vernichtungsspirale. Immerhin hält sich die Friedensbewegung zugute, damals mit zur Verschrottung der Raketen diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs beigetragen zu haben. Und wenn auch auf der Mutlanger Heide längst Gras über die Sache gewachsen ist, respektive Häuser gebaut worden sind, ist die Pressehütte in der Forststraße immer noch ein Kristallisationspunkt des Erinnerns – und der Vorausschau. So zählte Geschäftsführer Blach erst dieser Tage zu einem kleinen Kreis von Friedensaktivisten, die dem Aalener CDU-Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter auf den Zahn fühlten. Mit am Tisch waren auch Wolfgang Schlupp-Hauck von der örtlichen Friedenswerkstatt und Mutlangens Bürgermeister Peter Seyfried, Mitglied der „Mayors for Peace“, der Bürgermeister für den Frieden.

„Schulfrei“ für die Bundeswehr

Und zeigte sich in der Runde, dass der Landesgeschäftsführer einer deutschen Friedensgesellschaft gut daran tut, auch in globalstrategischen Dingen auf dem Quivive zu sein, so hält der Job noch einen ganzen Köcher voller Themen bereit, die Sachverstand einfordern. Dazu gehört auch die Aufforderung, der Bundeswehr „schulfrei“ zu geben. Hinter der saloppen Formel verbirgt sich der Wunsch der Deutschen Friedensgesellschaft und anderer Gruppierungen, an den Schulen des Landes die Friedensbildung neu auszutarieren.

Eine in Baden-Württemberg und sieben weiteren Bundesländern geltende Kooperationsvereinbarung räume dem Militär in den Bildungsplänen und bei den Schulmaterialien sowie bei der Referendar- und Lehrerbildung ein viel zu großes Gewicht ein, sagt Roland Blach. Obwohl Bildungsexperten des Landtags, aber auch das Votum eines Parteitags der Grünen ausdrücklich den Ausstieg des Landes aus der Vereinbarung favorisiert hätten, sei bis dato nichts geschehen.

Blach vermutet die Widerstände beim grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und bei Innenminister Reinhold Gall. Auch Kultusminister Andreas Stoch habe nach einem ersten Kontakt seine weitere Gesprächsbereitschaft signalisiert, doch passiert sei nichts. Roland Blach: „Wir sind persönlich enttäuscht, dass so wenig Wert auf Glaubwürdigkeit und die Politik des Gehörtwerdens gelegt wird.“

Die Miene von Roland Blach hellt sich merklich auf, wenn er auf sein persönliches Steckenpferd zu sprechen kommt. Dahinter verbergen sich lauter Drahtesel, die in diesem Jahr beim 10. Pacemakers-Radmarathon von hoffentlich 150 Pedaleuren oder mehr gesattelt werden. Die Aktion ist als Friedensbotschaft gedacht und war seinerzeit von Günter Riemer, dem Präsidenten des württembergischen Radsportbundes eingefädelt worden. Die Strecke führt von Bretten bis nach Kaiserslautern und über Ramstein wieder zurück, das tägliche Pensum soll 340 Kilometer betragen.

Und hat man in den letzten fünf Jahren beim Luftdrehkreuz der Amerikaner in Ramstein jeweils einen symbolischen Halt eingelegt, so stellt sich Vordenker und Vorradler Blach diesmal vor, nach einer Passkontrolle quer durch die Base radeln zu dürfen. Entsprechende Anfragen, sagt der Friedensaktivist, seien bereits am Laufen. Und der Mann, der im Bohren dicker Bretter bereits reichlich Erfahrung hat, meint dazu nur lakonisch: „Das müsste das deutsch-amerikanische Verhältnis eigentlich aushalten.“