Die EnBW hat Beschwerde gegen das Stilllegungsverbot der Bundesnetzagentur für die Kraftwerke in Walheim und Marbach eingelegt. Der Stromkonzern befürchtet wirtschaftliche Nachteile.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgar - Die EnBW befürchtet gravierende wirtschaftliche Nachteile durch den erzwungenen Weiterbetrieb unrentabler konventioneller Kraftwerke. Der Stromversorger hat daher beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf Beschwerde gegen einen Bescheid der Bundesnetzagentur eingelegt, der die geplante Stilllegung von vier Kraftwerksblöcken in Walheim und Marbach (Kreis Ludwigsburg) untersagt. Der Übertragungsnetzbetreiber Transnet-BW hatte die älteren, mit Kohle und Öl betriebenen Anlagen als systemrelevant für eine sichere Stromversorgung eingestuft. Die Netzagentur verfügte darauf den Weiterbetrieb bis Juli 2016. Laut Aufsichtsbehörde handelt es sich um den ersten Fall dieser Art in Deutschland.

 

Der EnBW stellt zwar nicht infrage, dass ihre Kraftwerke systemrelevant sind, hält aber die für den erzwungenen Weiterbetrieb vorgesehene Vergütung für zu niedrig. Es könne nicht sein, dass die EnBW vom Netzbetreiber „nur 70 bis 75 Prozent der tatsächlichen Gesamtkosten“ erstattet bekomme, kritisierte Vorstandschef Frank Mastiaux in einem Interview mit der „Welt“. Für das erste Jahr nach dem Stilllegungsantrag gebe es sogar überhaupt keine Entschädigung. Zudem sei die Berechnung der Kompensationszahlungen „vollkommen intransparent“, fügte ein EnBW-Sprecher hinzu. „Die Kosten, die durch den Weiterbetrieb entstehen, werden erstattet“, heißt es dagegen bei der Bundesnetzagentur. Allerdings gebe es hier „Interpretationsspielräume“, räumt die Behörde ein.

„In einer ohnehin sehr schwierigen Situation kann ich als Unternehmer mit Verantwortung für Mitarbeiter und Arbeitsplätze und auch aus aktienrechtlichen Gründen nicht zulassen, dass man mich zwingt, Verluste zu machen“, sagte Mastiaux. Um die Rechtsposition der EnBW angesichts der nicht eindeutigen Regelungen zu wahren, müsse der Konzern Rechtsmittel gegen den Bescheid der Netzagentur einlegen. Konkrete Zahlen über die Belastung durch das Stilllegungsverbot nannte Mastiaux nicht, der „SWR“ hatte zuvor von einem zweistelligen Euro-Millionenbetrag berichtet. Die EnBW kritisiert auch Wettbewerbsverzerrungen innerhalb Deutschlands. So könnten nördlich der Main-Linie wegen der weniger angespannten Versorgungslage unrentable Anlagen eingemottet werden, ohne dass die Netzagentur eingreife. „Diese Möglichkeit haben Kraftwerksbetreiber südlich der Main-Linie nicht, was sie in ihrer unternehmerischen Handlungsfähigkeit einschränkt.“

Behörden liegen 41 Anträge auf Kraftwerksstilllegung vor

Konventionelle Kraftwerke rechnen sich wegen der wachsenden Konkurrenz erneuerbarer Energien immer weniger. Der Ökostrom, der bevorzugt ins Netz eingespeist wird, drückt die Preise an der Strombörse zeitweise auf neue Tiefstände. Wenn die Sonne scheint oder der Wind kräftig weht, stehen daher etliche fossil betriebene Kraftwerke still. Sie werden aber als Reserve gebraucht, um Phasen geringer Ökostromproduktion zu überbrücken. Diese „unverzichtbare Sicherheitsleistung“ müsse angemessen vergütet werden, so Mastiaux. Die neue Bundesregierung hat jedoch bisher kein entsprechendes Konzept vorgelegt. Höhere Vergütungen für die Bereithaltung von Reservekapazitäten könnten die Strompreise weiter in die Höhe treiben. Die anfallenden Kosten können von den Netzbetreibern auf die Verbraucher umgelegt werden.

Derzeit liegen der Bundesnetzagentur 41 Anträge auf Kraftwerksstilllegung vor. Dabei geht es der Behörde zufolge um eine Gesamtleistung von 11 000 Megawatt, was etwa zehn mittleren Atomkraftwerksblocks entspricht. In 16 Fällen stehe bereits fest, dass die Anlagen nicht systemrelevant seien, sagte eine Sprecherin der Behörde. In den anderen Fällen – abgesehen von den EnBW-Blocks in Walheim und Marbach – stehe die Entscheidung noch aus. Gut möglich, dass die Netzagentur in naher Zukunft weitere Stilllegungsanträge ablehnen wird. Der Streit der Behörde mit der EnBW könnte also von grundsätzlicher Bedeutung für die gesamte Energiebranche sein.