Paris. Einen Tag nach den Anschlägen an mehreren Orten gleichzeitig. Mindestens 128 Tote sind zu beklagen. Nach dem Terror kehrt in der Stadt Ruhe ein. Unser Paris-Korrespondent zeichnet ein Bild der Stille aus der Stadt der Liebe.

Paris - Am Tag danach kehrt Stille ein. Die Sirenen der Einsatzwagen von Polizei und Ambulanz sind verstummt. Die Maschinenpistolensalven der Terroristen sind verhallt, der Explosionsdonner, den das Zünden ihrer Sprengstoffgürtel ausgelöst hatte, ebenfalls. Augenzeugen, die schluchzend und stammelnd nach Worten suchten, haben die Fassung wiedergefunden. Nicht einmal die einen Pariser Samstagmorgen prägenden Alltagsgeräusche sind zu vernehmen. Das ist kein Kindergeschrei auf den Schulhöfen, traben keine Jogger keuchend über das Marsfeld am Eiffelturm. Das Verkehrsaufkommen am Seine-Ufer ist so gering, dass Vogelgezwitscher ans Ohr dringt.

 

Aber das ist ja auch nicht Pariser Alltag. Es ist der Ausnahmezustand nach den schwersten Terroranschlägen in der französischen Geschichte. Vor dem Fußballstadion im Vorort Saint-Denis, auf den Bistro-Terrassen der trendigen zehnten und elften Arrondissements sowie schließlich im Konzertsaal „Bataclan“, wo eine Band 1500 Rockfans einheizte: An sieben verschiedenen Tatorten haben islamistische Terrorkommandos zugeschlagen, mit derselben Grausamkeit, fast zur selben Zeit. In möglichst kurzer Zeit möglichst viele Menschen umbringen, das war das Ziel der offenbar vom „Islamischen Staat“ aus der Ferne gesteuert worden ist. Die in Syrien und im Irak militärisch in Bedrängnis geratene Terrormiliz hat sich am Samstag im Internet jedenfalls zu den Anschlägen bekannt.

Diesmal ging es um Massenmord

War es bei den Anschlägen auf die Redaktionsräume des Satireblattes Charlie Hebdo oder einen jüdischen Supermarkt Anfang des Jahres noch darum gegangen, bestimmte Zielgruppen zu terrorisieren nämlich Journalisten und Juden, stand diesmal schlicht Massenmord auf der Agenda, 128 Tote sind zu beklagen. In Pariser Kliniken werden 250 Verletzte behandelt, 99 von ihnen schweben in Lebensgefahr.

An diesen Orten sind die Anschläge verübt worden:

Vor dem Bataclan legen Passanten Blumengebinde nieder. Ein Anwohner rollt ein Klavier über den Gehweg, stimmt eine traurige Weise an, „um den Opfern die letzte Ehre zu erweisen“, wie er sagt. Andere Menschen haken sich unter, stimmen die Marseillaise an, die so optimistisch vorwärts drängende französische Nationalhymne. „Wir dürfen uns nicht unterkriegen lassen“, ist die Devise. Vor einer Amtsstube werden Trikolore und europäisches Sternenbanner eingerollt. Von Sonntag bis einschließlich Dienstag soll Staatstrauer herrschen in Frankreich. Für Montagmittag ist eine landesweite Schweigeminute geplant.

Anschläge lassen sich nicht verhindern

Staatschef Francois Hollande hatte den Ausnahmezustand noch in der Nacht zum Samstag verkündet. Soldaten patrouillieren durch die Straßen der Stadt. Wie das ganze Land stand auch der Präsident unter Schock, als er mit belegter Stimme versicherte, dass er die Grenzen schließen und dass es keine weiteren Anschläge geben werde.

Wunschdenken war das gewesen in der Stunde der Not. Denn natürlich sind die Grenzen Frankreichs nicht komplett abzuriegeln. Allenfalls die Kontrollen lassen sich verschärfen, was am Samstag dann auch passiert ist. Und dass sich Terroranschläge in Frankreich nicht verhindern lassen, hat das trotz erweiterter Geheimdienstbefugnisse und höchster Alarmstufe für die Sicherheitskräfte nicht vereitelte Morden aufs Brutalste illustriert.