Stipendien für Stuttgarter Talente Zwei junge Flüchtlinge starten durch

Heza und Mohammad sind 17 Jahre alt und werden jetzt als Stipendiaten im Programm „Talent im Land“ gefördert. Die beiden beeindruckenden Neu-Stuttgarter haben auch sonst einiges gemeinsam, etwa die frühere Heimat.
Stuttgart - Heza Youssef und Mohammad Altaleb sind beide 17 Jahre alt und leben in Stuttgart. Erst vor wenigen Jahren haben sie ihr Leben in Syrien hinter sich gelassen, um nach Deutschland zu ziehen. Und jetzt starten sie durch – und werden als Talente gefördert.
Heza hat mit ihrer ganzen Familie 2017 ihre alte Heimat verlassen. Nicht von heute auf morgen. „Es war sehr schwierig, für alle ein Visum zu bekommen“, erzählt sie. Inzwischen besucht sie das Paracelsus-Gymnasium Hohenheim. Den schulischen Erfolg, den sie in Syrien hatte, will sie hier unbedingt fortsetzen. „Das hat Gott sei Dank bisher gut funktioniert“, sagt sie und lacht. „In der achten und neunten Klasse habe ich für meine Leistungen sogar einen Preis bekommen.“ Mit ihren Leistungen hat es Heza auch geschafft, eines von 53 Stipendien des Programms „Talent im Land“ (TiL) zu bekommen. „Am Anfang waren es 300 Bewerber“, erzählt sie. „Wir hatten insgesamt drei Bewerbungsgespräche mit einer Jury. Unter anderem ging es um mein Engagement, meine Lebensziele und meine Talente.“ Dafür, das Angebot von TiL nutzen zu können, ist sie sehr dankbar. „Es gibt viele Veranstaltungen, vor allem im Bereich Bildung. Man wird finanziell unterstützt und hat Zugang zu einem tollen Netzwerk.“
Mit dem Internet hat Mohammad Deutsch gelernt
Auch Mohammad ist Stipendiat im aktuellen TiL-Jahrgang. Nach Deutschland kam er Ende 2015. „Ich war damals zwölf“, erzählt er, „Deutsch habe ich anfangs nur über das Internet gelernt. Als ich dann in die Schule gegangen bin, konnte ich die Grammatik bereits perfekt. Ich helfe auch manchmal meinen Eltern, indem ich für sie übersetze.“ Inzwischen besucht er die elfte Klasse des Neuen Leibniz-Gymnasiums in Feuerbach. Er erinnert sich oft an sein altes Zuhause. „Mein Leben war vor dem Krieg eigentlich ganz normal. Man erlebte dort als Kind zwar viel Schlimmes, viele Schlägereien und so, in der Schule war ich trotzdem immer einer der Besten. Nach der fünften Klasse hat das dann nachgelassen, als der Krieg begann“, sagt er. Dann traf ein Bombenanschlag das Haus, in dem die Familie wohnte. „Ich war zu dem Zeitpunkt nicht in Syrien, aber meine Brüder waren im Haus. Der kleinste hat sich im Keller versteckt und sollte dort eigentlich geschützt sein, doch durch den Druck hat ihn eine Metallscheibe vom Fenster getroffen. Wie durch ein Wunder haben aber alle überlebt.“ Danach zog die Familie nach Deutschland. Hier sah Mohammad die Welt plötzlich mit anderen Augen. Damals beschloss er: „Ich versuche es jetzt so weit zu bringen, dass ich nie wieder in schlechten Verhältnissen lande.“
Heza möchte Medizin studieren und Menschen helfen
Auch Heza beschreibt ihr Leben in Syrien vor dem Krieg als ganz normal. „Als der Krieg dann begann, wurden die staatlichen Schulen geschlossen. Die Lage wurde immer gefährlicher, es entstanden viele militärische Gruppen aus ganz unterschiedlichen Sekten. Meine Eltern hatten auch immer Angst um uns, weil manchmal Kinder auf der Straße entführt wurden“, erinnert sie sich. „Unser Leben war einfach in Gefahr. Wir mussten gehen.“ Inzwischen hat sie große Pläne: „Ich will Medizin studieren, um Menschen zu helfen. Und ich möchte mich auch im Bereich der Menschenrechte engagieren.“
Auch Mohammad will neben dem Ziel, Ingenieur zu werden, etwas Gutes für die Welt tun. „Ich habe gemerkt, dass die sozialen Verhältnisse in Entwicklungsländern sehr schlecht sind. Es ist wichtig, diesen Menschen einen Zugang zu Bildung zu verschaffen und ihnen zu zeigen, dass wir alle dafür verantwortlich sind, ob wir in Frieden leben oder nicht“, meint er. „Das hier in Deutschland ist mehr als Luxus. Hier kann wirklich jeder etwas tun für Menschen, denen es schlecht geht. Warum sollten wir es dann nicht tun?“
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