Nackte sind überall: in TV-Serien, Werbung, online. An deutschen Badestränden sehen sie der Linken-Politiker Gregor Gysi und andere aber auf dem Rückzug. Der Sexualforscher Konrad Weller bestätigt das.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Merseburg - Der Sexualforscher Konrad Weller hat den von Linken-Politiker Gregor Gysi beklagten Rückzug der FKK-Kultur in Ostdeutschland bestätigt. Es sei empirisch belegt, dass sich die Sexualkultur seit der Wiedervereinigung gewandelt habe, sagt der Psychologe von der Hochschule Merseburg in Sachsen-Anhalt. In den letzten Jahren der DDR hätten 90 Prozent der Jugendlichen Erfahrungen mit Freikörperkultur gehabt. 2013 sei es nur noch die Hälfte gewesen. Auch die Vorbehalte der Heranwachsenden gegenüber dem Nacktbaden seien größer geworden.

 

Ein Grund hierfür sei der sensiblere Umgang mit Nacktheit an Badestränden, auch wegen des seit einigen Jahren allgegenwärtigen Filmens und Fotografierens. Doch eine neue Prüderie und ein Aussterben des textilfreien Sonnens in Deutschland sieht Weller nicht. „FKK ist nicht totzukriegen.“

#nacktfuergysi trendet im Netz

Else Buschheuer hat ein großes Herz für FKK – und für Gregor Gysi. Auf Twitter versucht derzeit die Schriftstellerin und Journalistin mit dem Schlagwort #nacktfuergysi („nackt für Gysi“) einen Trend zu starten.

Else Buschheuer selbst geht voran – und postet ein Foto vom Strand, das sie hüllenlos am Horizont zeigt. Doch kaum ein Nutzer folgt ihrem Beispiel. Damit scheint das Netzwerk einen Beleg für das zu liefern, was der Linken-Politiker Gysi medienwirksam beklagt: Die Freikörperkultur, das Nacktbaden, ist auf dem Rückzug.

Gysi erklärt sich zum „Nacktivisten“

Der 69-Jährige bedauert das im „Playboy“, Fachblatt für vornehmlich weibliche Nacktheit.

In der „Bild“, die Gysi zum „Nacktivisten“ erklärt, legt er nach. Die Zeit sei reif, FKK wieder auszudehnen: „Da kann der Westen was vom Osten lernen.“

Naht das Ende des FKK?

Stirbt FKK ausgerechnet in den Zeiten aus, in denen sogar langjährige Tabus wie Strümpfe in Adiletten zu Modetrends erklärt werden?

FKK sei eine Frage der Definition, sagt der Präsident des Deutschen Verbands für Freikörperkultur (DFK), Herbert Steffan. „Wenn es um die geht, die bei Gelegenheit mal nackt in den Badesee springen, dann reden wir von Millionen.“ Und dann gebe es den harten Kern, der Sommer wie Winter die Freikörperkultur pflege.

In 135 Vereinen in Deutschland sind knapp 35 000 Fans organisiert. Sie frönen nackt ihren Hobbys – von Volleyball, über Tischtennis, Saunagänge oder eben Schwimmen – oft auf eigenem Gelände oder Campingplätzen. Und die meisten Vereine gibt es im Westen Deutschlands.

FKK, gar keine klassische Ost-Tradition? Doch, sagt Steffan. Die ersten Vereine für Freikörperkultur seien um 1900 entstanden, in der Zeit des Nationalsozialismus wurden sie aufgelöst. Im geteilten Deutschland sei FKK im Osten wirklich frei und überall gelebt worden. Im Westen wurde sie laut Steffan dagegen auf die Vereinsgelände der FKK-Anhänger verbannt. „Bis heute fassen wir im Osten kaum Fuß, weil die Menschen sagen: Warum soll ich eintreten? FKK kann ich überall machen.“

Wo FKK erlaubt ist

Und wie sieht es dort aus, wo die FKK-Kultur in der DDR ihr Zentrum hatte – an der Ostsee? Dort gibt es nach wie vor viele FKK-Strände, sagt Katrin Hackbarth vom Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern. Allein elf von ihnen auf Usedom, sieben auf Rügen. „Es kommt hinzu, dass sich die Gäste auch nicht immer nach den Schildern richten.“

An vielen Stränden gibt es ein friedliches Miteinander zwischen Angezogenen und Nackten. Das sei durchaus erlaubt, betont DFK-Präsident Steffan. „Solange sich keiner daran stört, kann man auch an nicht extra ausgeschilderten Stränden und Seen nackt baden gehen.“

Auf Twitter entpuppt sich auch Gregor Gysi selbst als zurückhaltender Kämpfer für das Nacktbaden – zumindest nach Darstellung von Else Buschheuer. Sie hatte den Politiker aufgefordert, sich an ihrer Aktion #nacktfuergysi zu beteiligen. Einige Stunden später veröffentlichte sie dann eine Aufnahme einer an sie gesendeten Nachricht: