Bengalische Frauen wollen ihren Kindern die Sprache und Geschichte ihres Heimatlandes näherbringen.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-Ost - Um kurz vor sieben Uhr versammelt sich vor dem Stadtteilzentrum Stöckach eine Gruppe von mehreren Frauen und Kindern. Fast alle sind in bunte Gewänder gehüllt, den traditionellen Sari, den Frauen in Bangladesch im Alltag tragen. Mehrmals im Monat treffen sich die bengalischen Frauen aus Stuttgart und Umgebung am Stöckach, um ihren Kindern die Kultur und Sprache ihres Landes zu vermitteln. „Unsere Kinder sind hier in Deutschland so weit weg von ihrer eigenen Kultur“, sagt Kamrun naher Ahmed, die die Gruppe ins Leben gerufen hat.

 

Weniger später geht es auch schon los, traditionelle indische Musik schallt aus den Lautsprechern. Zuerst sind die Mädchen dran. Sie tanzen zu einem bengalischen Hochzeitslied. Ein Mädchen sitzt in der Mitte, sie ist die Braut, ihre Freundinnen tanzen um sie herum. „Die Mädchen lernen bei diesen Abenden auch die uralten Bräuche unseres Landes kennen“, erzählt Reazuddin Ahmed, der Ehemann von Kamrun naher Ahmed. Die Hochzeit sei in Bangladesch ein großes Ereignis, das rund drei Tage dauere und wo das ganze Dort zusammenkomme.

Ahmed ist der einzige Mann an diesem Abend. „Ich bin für die Organisation zuständig. Sonst haben Männer hier nichts zu suchen“, erzählt Ahmed und lacht. Normalerweise sei er deshalb bei den Treffen auch nicht dabei.

Nachfrage steigt

Seine Ehefrau Kamrun naher Ahmed macht selbst viel Musik. Deshalb wurde sie vor einigen Monaten von ihren Landsleuten angesprochen, ob sie nicht auch deren Kinder in der Musik und Sprache Bangladeschs unterrichten könne. Begeistert sagte sie zu. Zunächst fanden die Treffen in kleinerem Kreis bei Familie Ahmed zu Hause statt. Als sich immer mehr bengalische Frauen angeschlossen hatten, gab es ein Platzproblem. „Ich habe dann Martina Schütz vom Stadtteilzentrum angesprochen, ob wir uns hier treffen können“, sagt Reazuddin Ahmed, der mit seiner Familie auch am Stöckach lebt. Seit April trifft sich die Gruppe nun regelmäßig dort.

Um die 100 Bengalen gibt es nach Ahmeds Informationen in Stuttgart. Viele kennen sich untereinander. „Das ist die einzige organisierte Gruppe unseres Landes in der Stadt“, erzählt Ahmed. Deshalb wird die Gruppe auch immer größer: Rund 25 Familien gehören dem Kreis bereits an, bei den Treffen sind meistens um die 15 Frauen mit ihren Kindern dabei. Der Großteil der Gruppe lebt zwar rund um den Stöckach und im Osten, doch inzwischen sind auch aus anderen Stadtteilen und aus der Region Frauen dabei. Bei den Treffen soll aber nicht nur Spaß auf dem Programm stehen, sondern „die Kinder sollen etwas lernen“, wie Ahmed sagt. Zu Hause spreche die Familie nur die eigene Landessprache. „Wichtig ist, dass die Kinder auch die Buchstaben kennen lernen“, sagt Ahmed. Denn wenn die Kinder die eigene Muttersprache richtig beherrschten, dann lernten sie besser Deutsch.

Im Stadtteil Stöckach ist die Gruppe bereits sehr engagiert. Bei der offiziellen Eröffnungsfeier des Stadtteil- und Familienzentrums am 15. Juni und beim Stöckachfest im September ist die Gruppe dabei. „Wir wollen ja auch hier in der Stadt unsere Kultur näherbringen“, betont Ahmed.

Die Mädchen üben dafür schon fleißig singen und tanzen. Die drei kleinen Jungs, die dabei sind, interessiert das eher weniger. „Die spielen lieber mit ihren Handys“, sagt Ahmed. Vor dem Singen können sie sich aber später dennoch nicht drücken.