Stotternde Menschen haben Mühe, flüssig zu sprechen. Das kann seelisch belasten und den Alltag stark beeinflussen. Oft lässt sich keine erkennbare Ursache finden. Forscher haben nun ein bestimmtes Netzwerk im Gehirn ausgemacht, in dem Stottern entsteht.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Seit 1998 steht der 22.Oktober für den Welttag des Stotterns (englisch: International Stuttering Awareness Day/ISAD). Neben der Schaffung eines öffentlichen Bewusstseins für die Probleme von stotternden Menschen soll mit diesem Aktionstag auf die Fakten der Sprechbehinderung Stottern aufmerksam gemacht werden. Denn Stottern ist immer noch mit zahlreichen Vorurteilen behaftet.

 

Was sind die Ursachen des Stotterns?

Stottern kann verschiedene Ursachen haben. Unabhängig davon geht es einer neuen Studie aus Finnland zufolge aber auf ein bestimmtes Netzwerk im Gehirn zurück. Diese Lokalisierung eröffne neue Möglichkeiten für die medizinische Behandlung, schreibt das Forschungsteam im Fachjournal „Brain“. Womöglich könne zum Beispiel eine Hirnstimulation speziell auf das Netzwerk ausgerichtet werden.

800 000 dauerhafte Stotterer in Deutschland

Stottern (Balbuties, von lateinisch balbutire – stottern) ist eine motorisch bedingte Sprechstörung, bei welcher der Redefluss unterbrochen ist. Stotterer sind nicht schlechter darin, beim Sprechen die passenden Wörter zu finden. Beeinträchtigt ist vielmehr ihre Fähigkeit, die beabsichtigten Worte adäquat auszusprechen. Die Störung des Sprachrhythmus ist durch unwillkürliche Laut- und Silbenwiederholungen, Verlängerungen und Sprechblockaden gekennzeichnet.

Ungefähr fünf bis zehn Prozent der Kleinkinder stottern demnach. Geschätzt ein Prozent – überwiegend Männer – stottert bis ins Erwachsenenalter weiter, fast immer lebenslang. Stottern tritt über alle Kulturen hinweg ähnlich oft und familiär gehäuft auf. In Deutschland stottern nach Schätzungen etwa 800 000 Menschen dauerhaft.

Gestörte Regulierung der Sprachproduktion

Schweres Stottern kann sich sehr negativ auf das Leben des betroffenen Menschen auswirken, vor allem wegen kränkender oder gar aggressiver Reaktionen von Mitmenschen. Helfen können logopädische Therapien zum Erlernen einer Sprechtechnik und zur Stressreduktion. Wirksame pharmakologische oder neuro-modulatorische Behandlungsmöglichkeiten gibt es dem Forschungsteam um Juho Joutsa von der finnischen Universität Turku zufolge bisher nicht.

„Stottern wurde früher als psychische Störung angesehen“, erklärt Joutsa. Inzwischen sei die gängige Annahme, dass es sich um eine Störung des Gehirns handelt, die mit der Regulierung der Sprachproduktion zusammenhängt. Auch bestimmte neurologische Erkrankungen wie die Parkinson-Krankheit oder ein Schlaganfall könnten Stottern zur Folge haben.

Schweres Stottern kann sich sehr negativ auf das Leben des betroffenen Menschen auswirken, vor allem wegen kränkender oder gar aggressiver Reaktionen von Mitmenschen. Foto: Imago/Sascha Steinach

Stottern nach einem Schlaganfall?

In die Studie bezog das Forscherteam Menschen ein, die einen Schlaganfall erlitten und unmittelbar danach zu stottern begannen hatten. Die Schlaganfälle traten demnach zwar in verschiedenen Teilen des Gehirns auf, betrafen aber alle das gleiche Gehirnnetzwerk – im Gegensatz zu Schlaganfällen, die kein Stottern verursachten.

Zusätzlich untersuchten die Forscher mittels Magnetresonanztomografie (MRT) die Gehirne von 20 Menschen, bei denen sich das Stottern in der Kindheit entwickelt hatte. Auch sie zeigten strukturelle Veränderungen in Knotenpunkten dieses Gehirnnetzwerks.

Kerngebiet im Großhirn betroffen

Das Team schließt daraus, dass Stottern stets in diesem Netzwerk entsteht, unabhängig davon, ob es entwicklungsbedingt oder neurologisch verursacht ist. Das Zentrum des Gehirnnetzwerks bildet demnach ein Bereich des Putamens, eines Kerngebiets im Großhirn.

Das Putamen sei etwa an internem Timing und der Programmierung motorischer Bewegungen beteiligt, auch im Gesichtsbereich einschließlich der Lippenbewegungen. Beteiligt seien zudem Regionen der Amygdala und des Claustrums, die ebenfalls tief im Gehirn liegen, sowie Verbindungen zwischen ihnen.

„Diese Erkenntnisse erklären bekannte Merkmale des Stotterns wie die motorischen Schwierigkeiten bei der Sprachproduktion und die signifikante Variabilität des Schweregrads des Stotterns in verschiedenen emotionalen Zuständen“, erläutert Joutsa. „Als wichtige Areale im Gehirn regulieren das Putamen die motorischen Funktionen und die Amygdala die Emotionen.“ Das Claustrum wiederum fungiere als Knotenpunkt für mehrere Gehirnnetzwerke und leite Informationen zwischen ihnen weiter.