Mitte nächsten Jahres soll in Wäschenbeuren ein Stolperstein des Künstlers Gunter Demnig für Eduard Löwenthal verlegt werden.

Wäschenbeuren - Er hatte kaum eine Überlebenschance. Eduard Löwenthal, der im Konzentrationslager (KZ) Buchenwald als Steineträger schuften musste, litt an einem nach innen wachsenden Kropf, der ihm Atemprobleme bereitete. Ungefähr ein Jahr lang hat die pensionierte Geschichtslehrerin Angelika Taudte akribisch für die Göppinger Stolpersteininitiative zum Leben des Eduard Löwenthal recherchiert. „Wenn Sie das alles lesen, glauben Sie, Sie sind nicht bei sich“, beschreibt sie ihr Entsetzen über die Ereignisse, die während der Zeit des Nationalsozialismus stattfanden. In der Nähe des letzten Wohnorts von Eduard Löwenthal in Wäschenbeuren sollen im Juli 2020 zwei Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig verlegt werden – einer für Eduard und einer für Theresia Löwenthal.

 

Göppingen, Dachau, Buchenwald

Wie es zur Verhaftung Löwenthals kam, hat Angelika Taudte durch intensives Quellenstudium herausgefunden. Demnach wurde der gelernte Schuhmacher Mitte Juni 1938 zuhause von der Polizei abgeholt und nach einer Nacht im Wäschenbeurener Rathaus nach Göppingen gebracht. Von dort ging es wenige Tage später ins Konzentrationslager Dachau, dann nach Buchenwald. In den Unterlagen des KZ Dachau zu Löwenthal fand Taudte die Stichworte „Arbeitsscheu Reich“. Unter diesem Titel wurden zwischen dem 13. und 18. Juni 1938 vom Regime als „asozial“ eingestufte Personen verhaftet und in verschiedene Konzentrationslager gebracht. Gemäß einer Durchführungsverordnung von 1938 galt als asozial, wer „durch gemeinschaftswidriges, wenn auch nicht verbrecherisches Verhalten zeigt, dass er sich nicht in die Gemeinschaft einfügen will“.

Er lebte in einfachen Verhältnissen

Dass Eduard Löwenthal ins Visier geriet, konnte mehrere Gründe gehabt haben. Der gelernte Schuhmacher lebte mit seiner Frau Theresia und seinen drei Kindern in einfachen Verhältnissen. Finanziell hielt Löwenthal die Familie mit Gelegenheitsjobs über Wasser. So arbeitete er unter anderem als Hilfsarbeiter bei der Gemeinde, aber auch bei der Firma Leonhard Weiss, der Firma Kinessa und bei den Gebrüdern Frankfurter sowie bei Speiser als Schreiner. „Im Sommer hat er bei der israelitischen Gemeinde in Jebenhausen gearbeitet“, erzählt Taudte. Ob ihm dies zum Verhängnis wurde?

Hinzu kam, dass Löwenthal nach dem Ersten Weltkrieg wegen zweimaligem Betrug für drei Monate und sechs Tage im Gefängnis war. Auch seine Herkunft könnte zu seiner Verhaftung beigetragen haben. Sein Vater war Jude, somit war der evangelisch getaufte Eduard Löwenthal aus Sicht der Nationalsozialisten ein sogenannter Halbjude. Die Aktion „Arbeitsscheu Reich“ richtete sich auch gegen Juden, die bereits eine Gefängnisstrafe von mindestens vier Wochen verbüßt hatten.

„Herz- und Kreislaufschwäche“ als Todesursache

Eine unrühmliche Rolle könnte nach Angelika Taudtes Ansicht ferner der Polizist Hans Strohm bei der Verhaftung Löwenthals gespielt haben, der nach ihren Recherchen ein überzeugter Nationalsozialist, Rassist und Alkoholiker war. Vielleicht habe sich Strohm, der immer wieder negativ bei seinen Vorgesetzten aufgefallen war, durch die Verhaftung Löwenthals in einem guten Licht darstellen wollen. Nach der Verhaftung Löwenthals hat Strohm Theresia und die Kinder Löwen-thals unterstützt. So arbeitete Theresia Löwenthal bei der Familie Strohm als Putz- und Waschfrau, was der Familie ein kleines Einkommen bescherte. Dies gab die Ehefrau im Zuge der Entnazifizierung nach Kriegsende zu Protokoll. „Sie hat Strohm den Kopf gerettet“, meint Taudte rückblickend. Denn offenbar hatte Strohm nicht allein im Falle Löwenthals eine unrühmliche Rolle gespielt.

Die Gemeinde pflegt das Grab

Als Todesursache von Eduard Löwen-thal wurde „Herz- und Kreislaufschwäche“ angegeben. Mit 42 Jahren starb Eduard Löwenthal nach 31 Monaten Haft im KZ Buchenwald. Dass der kranke Mann als Steineträger eingesetzt worden war, habe einem Todesurteil geglichen, darin ist sich Taudte sicher. Die Urne mit der Asche des Verstorbenen wurde auf Antrag der Ehefrau nach Wäschenbeuren geschickt. Die Urne wurde auf dem örtlichen Friedhof beigesetzt. Das Grab wird bis heute von der Gemeinde gepflegt.

Zur Erinnerung an Eduard Löwenthal soll im Juli des kommenden Jahres ein Stolperstein des Künstlers Gunter Demnig in der Nähe des einstigen Wohnorts von Löwenthal in Wäschenbeuren verlegt werden. Gunter Demnig erinnert mit seinen kleinen, im Boden eingelassenen Messingtafeln an die Opfer der NS-Zeit. Inzwischen liegen die Stolpersteine in 1265 Kommunen Deutschlands und in 21 Ländern Europas.