Zwei neue Stolpersteine in den Stuttgarter Stadtbezirken Möhringen und Degerloch erinnern an die Ermordung von Gertrud Däuble und Luise Mehmke.
Stuttgart - Am 9. Juli sind in den Stuttgarter Stadtteilen Möhringen und Degerloch zwei Stolpersteine verlegt worden. Die beiden kleinen Gedenktafeln sollen an zwei Stuttgarterinnen erinnern, die vom NS-Regime aufgrund ihrer psychischen Erkrankungen im Rahmen der sogenannten „Aktion T4“ in der Tötungsanstalt Grafeneck ermordet wurden. Die Abkürzung ist die nach Ende des Zweiten Weltkrieges verwendete Bezeichnung für die Ermordung von mehr als 70 000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen oder Erkrankungen. Die beiden Töchter von einflussreichen Lehrern wurden im Jahr 1940 in dem ehemaligen Jagdschloss 25 Kilometer südöstlich von Reutlingen in der Gaskammer ermordet.
Gertrud Däuble, geboren 1903 als Gertrud Frick, wohnte als sechstes von elf Kindern des evangelischen Pfarrers Eugen Frick mit ihren Eltern und Geschwistern zeitweise im Möhringer Pfarrhaus in der Oberdorfstraße 12. Nachdem sie von 1924 bis 1925 die Hebammenschule in Stuttgart besucht und die Abschlussprüfung mit „sehr gut“ bestanden hatte, arbeitete sie ab Juli 1925 als Ortshebamme in Sulz am Neckar. Im Frühjahr 1926 machten sich Symptome ihrer Erkrankung bemerkbar: Sie schlief schlecht, weinte viel, hatte Angst und glaubte offenbar „alle Teufel seien hinter ihr her“.
„Schizophrenie“ als Diagnose
Nachdem sie im Dezember 1926 offenbar einen Zustand erlitten hatte, der als „Toben“ beschrieben wurde, wurde Gertrud Däuble in das Psychiatrische Krankenhaus in Göppingen eingewiesen. Weitere Stationen während ihrer schubweise verlaufenden psychischen Erkrankung waren das Bürgerhospital Stuttgart und die Heilanstalt Winnental. Die Ärzte diagnostizierten eine „Schizophrenie“. Zwischen ihren Krankenhausaufenthalten wohnte Gertrud Däuble in Möhringen. Später wurde sie in der Landkommune Vogelhof/Erbstetten untergebracht, wo sie ihren späteren Mann kennenlernte. Mitte der 1930er Jahre musste Gertrud Däuble erneut in die Heilanstalt Winnental. Von dort aus wurde sie am 30. Mai 1940 nach Grafeneck deportiert und dort ermordet.
Auch Luise (Liesi) Mehmke (1886) hatte bis zu ihrer Ermordung in Grafeneck eine Odyssee durch verschiedene psychiatrische Einrichtungen hinter sich. Vom April 1912 an war sie mit den Diagnosen „manisch depressive Seelenstörung“ oder „Schizophrenie“ immer wieder in Heilanstalten. Luise Mehmke war die Tochter des Stuttgarter Mathematik-Professors Rudolf Mehmke (1857-1944), einem überzeugten Pazifisten und Sozialdemokraten. Er hat von 1907 bis 1944 mit seiner Familie in der Löwenstraße 102 gewohnt. Jetzt wurde auch vor diesem Haus ein Stolperstein verlegt.
Gefälschte Todesursache
Luise Mehmke besuchte 1906 und 1907 das höhere Lehrerinnenseminar am Königin-Katharina-Stift in Stuttgart. Im Frühjahr 1907 absolvierte sie die „Staatsprüfung der Seminaristinnen des höheren Lehrerinnenseminars in Stuttgart“ mit der Durchschnittsnote „gut“.
Als Lehrerin unterrichtet hat sie aber vermutlich nie. Ihr berühmter Vater hatte zwar eine hohe Meinung von ihren Fähigkeiten, aber zunächst wenig Verständnis für ihre, wie es hieß, „Verschrobenheiten und Anwandlungen von Größenwahn“.
Luise Mehmke wurde am 4. Juni in der Gaskammer von Grafeneck ermordet. Als Todesursache gab das Standesamt Grafeneck „Lungenentzündung“ und „Kreislaufschwäche“ an.