In Stuttgart sind am Mittwoch neun neue Stolpersteine verlegt worden. In der Gaußstraße war Besuch aus Israel dabei. Um vom Leben der Oma zu erzählen.

Es ist eine lange Reise gewesen. Buchstäblich – und emotional. Aus Israel war Shula Engelhard via Istanbul nach Stuttgart in die Gaußstraße gekommen. Zu Ehren ihrer Großmutter Paula Beifuß.

 

Die Nazis haben Paula Beifuß 1943 am 1. März nach Auschwitz deportiert und ermordet. Ziemlich genau 80 Jahre später steht Shula Engelhard am oberen Rand des Stuttgarter Westens, dort wo ihre Oma Paula und ihr Opa Bernhard einst gelebt haben.

Der Künstler Gunter Demnig hat gerade einen Stolperstein für Paula Beifuß verlegt. Einen von neun, die er an diesem Tag zu Ehren und zum Gedenken an die Opfer der Nazis in die Bürgersteige vor deren ehemaligen Wohnhäusern eingelassen hat. Damit liegen nun mehr als 1000 Stolpersteine in der Stadt. mehr als 1000 Geschichten, mehr als 1000 Schicksale. So wie jenes von Paula Beifuß.

Shula Engelhard erzählt von ihrer Oma. Die ihren beiden Töchtern noch die Flucht ermöglicht hat. Die ihren Mann 1940 verlor. Er starb in einer Klinik. Die im Geiste immer jung geblieben sei, die viele Freunde gehabt habe. Und deren Verlust für ihre Tochter Hilde so schmerzhaft gewesen sei, dass sie ihren Kindern nie von der Oma erzählt habe. Ein einziges Mal sei Hilde in Stuttgart gewesen, um für ihre Eltern einen Grabstein auf dem Pragfriedhof aufzustellen. Erst sehr viel später habe sie Briefe gefunden, die ihre Mutter und ihre Oma sich geschrieben hatten. „So habe ich Paula kennengelernt“, sagt sie. Eine Frau, von der alle sagen, „ich sehe ihr so ähnlich“. In einem der Briefe habe ihre Oma geschrieben: „Ich bin noch nicht so alt, dass ich sterben muss. Ich möchte leben!“

Mit Shula Engelhard waren ihre Schwester, ihre Tochter und drei ihrer Enkelkinder nach Stuttgart gekommen. „Wir waren eine kleine Familie“, sagt sie“, „und sind eine große geworden“. Für die Überlebenden des Holocaust sei jedes Kind ein Sieg über den Tod.

Ähnlich alt wie ihre Enkel sind die Jugendlichen der Klasse 9a des Königin-Olga-Stift. Jene Schule, an der einst Hilde Beifuß ihr Abitur gemacht hatte. Tulpen hatten sie dabei, die sie am Stolperstein niederlegten. Als letzter Gruß. Und als Zeichen, dass eine lange Reise zu Ende ging.