Videos, die offenbar heimlich von Österreichs Vizekanler Heinz-Christian Strache gefilmt wurden, stellen die Regierung auf die Probe. Bundeskanzler Sebastian Kurz will sich noch an diesem Samstag dazu äußern.

Wien - Ein heimlich gefilmtes Video, in dem Österreichs Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache offenbar Staatsaufträge im Austausch für Wahlkampfhilfe in Aussicht stellt, setzt die Regierung in Wien schwer unter Druck. Die oppositionelle SPÖ sprach am Freitag vom „größten Skandal“ in der jüngeren Geschichte des Landes. Die liberale Partei Neos bezeichnete Neuwahlen nun als „unvermeidlich“. Kanzler Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP kündigte für Samstag eine Stellungnahme an. -

 

Mit ihren Rücktrittsforderungen an Vizekanzler Strache, der zugleich an der Spitze der rechtspoulisitschen FPÖ steht, reagierte die österreichische Opposition auf Berichte von „Süddeutscher Zeitung“ und „Spiegel“. Sie legten unter Berufung auf ihnen zugespielten Videoaufnahmen dar, dass Strache sich vor der österreichischen Parlamentswahl 2017 bereit gezeigt habe, als Gegenleistung für Unterstützung im Wahlkampf öffentliche Aufträge zu vergeben.

Die ohne Straches Wissen angefertigten Aufnahmen dokumentieren demnach ein Treffen des FPÖ-Chefs und seines Vertrauten Johann Gudenus, dem heutigen FPÖ-Fraktionsvorsitzenden, mit der angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen. Das Treffen habe im Juli 2017 auf Ibiza stattgefunden. Die Frau habe angegeben, rund eine Viertelmilliarde Euro in Österreich investieren zu wollen, und deutete laut „Spiegel“ und „SZ“ mehrmals an, dass es sich dabei um Schwarzgeld handeln könnte. 

„Lockeres Treffen in feuchtfröhlicher Urlaubsatmosphäre“

Trotzdem seien Strache und Gudenus gut sechs Stunden lang bei dem Treffen sitzen geblieben und hätten über Anlagemöglichkeiten in Österreich diskutiert. Das Treffen war laut „SZ“ und „Spiegel“ offensichtlich als Falle für die FPÖ-Politiker organisiert worden.

Die beiden Politiker hätten die Zusammenkunft in der Villa auf Ibiza auf Anfrage eingeräumt. Es sei „ein rein privates“ Treffen in „lockerer, ungezwungener und feuchtfröhlicher Urlaubsatmosphäre“ gewesen, erklärte Strache. „Auf die relevanten gesetzlichen Bestimmungen und die Notwendigkeit der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung wurde von mir in diesem Gespräch bei allen Themen mehrmals hingewiesen.“

Ein Szenario, das die Runde den Berichten zufolge auslotete, war eine Übernahme der „Kronen Zeitung“ durch die Russin. „Wenn sie die ‚Kronen Zeitung’ übernimmt drei Wochen vor der Wahl und uns zum Platz eins bringt, dann können wir über alles reden“, habe Strache der Frau laut den Videoaufnahmen gesagt. 

Konkret habe der FPÖ-Chef ihr öffentliche Aufträge im Straßenbau in Aussicht gestellt, wenn sie der FPÖ zum Erfolg verhelfe: „Dann soll sie eine Firma wie die Strabag gründen. Alle staatlichen Aufträge, die jetzt die Strabag kriegt, kriegt sie dann.“ Weiter habe Strache gesagt: „Das Erste in einer Regierungsbeteiligung, was ich heute zusagen kann: Der Haselsteiner kriegt keine Aufträge mehr!“ Gemeint ist der langjährige Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner.

Bundeskanzler Kurz will sich am Samstag äußern

Außerdem offenbarten Strache und Gudenus bei dem Treffen laut „SZ“ und „Spiegel“ ein womöglich illegales System der Parteifinanzierung. „Es gibt ein paar sehr Vermögende. Die zahlen zwischen 500.000 und anderthalb bis zwei Millionen“, sagte Strache laut den Videoaufnahmen. Das Geld fließe aber nicht an die FPÖ, sondern an einen gemeinnützigen Verein. „Dadurch hast du keine Meldungen an den Rechnungshof.“ 

Strache und Gudenus nennen in dem Video demnach mehrere Namen angeblicher Großspender. Diese dementierten auf Anfrage von „SZ“ und „Spiegel“, direkt oder indirekt an die FPÖ gespendet zu haben

Bundeskanzler Kurz, dessen konservative ÖVP mit der FPÖ koaliert, will sich nach Angaben eines Regierungssprechers am Samstag zu den Berichten äußern. Die Enthüllungen kommen insbesondere für die FPÖ zur Unzeit, denn nächste Woche findet die Europawahl statt. Der FPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Harald Vilimsky, sagte nach Angaben des österreichischen Fernsehsenders ORF seine Teilnahme an einem Treffen europäischer Rechtspopulisten am Samstag in Mailand ab.