Die Westallee-Macher führen an verborgene Orte im Stadtbezirk.

Stuttgart - Im dritten Jahr hat sich die Westallee am Lerchenplatz längst als Fixstern im Feierkalender etabliert. Live-Musik, Street-Food, Drinks und viel urbanes Lebensgefühl an einem der schönsten Orte im Westen, noch dazu bei schönstem Sommerwetter: Von Donnerstag bis Samstag drängte sich der Westen, aber auch Neugierige aus anderen Bezirken, in den Straßen und Gassen.

 

Zehn Anwohner haben ihre Hinterhöfe geöffnet

Als besonderes Highlight darf auch in diesem Jahr die Aktion Kunst im Hinterhof am Samstag gelten. Von 14 bis 19 Uhr machten insgesamt zehn Anwohner ihre Hinterhöfe zugänglich und luden Künstler aller Sparten ein, die dort für einen Tag ein temporäres Atelier bezogen, Kunst machten, über Kunst quatschten, Kunst verkauften und Kunst erklärten. Initiiert von den Westallee-Machern und durchgeführt von der ebenfalls im Westen angesiedelten Agentur Brightzeit, starteten zu jeder vollen Stunde geführte Touren durch die Hinterhöfe und verborgenen Orte des Westens.

Die stahlen der dort gezeigten Kunst zwar nicht unbedingt die Schau, machten dafür aber ziemlich klar, wie viele Schätze hinter den Fassaden warten. Gleich die erste Station, ein Hinterhof, versteckt gelegen neben dem Café Stöckle, ist eine Sensation. Ein verwunschener Garten von paradiesischer Ruhe, und das nur einige Schritte vom Tumult des Straßenfests entfernt. Benjamin Erbsland von der Brightzeit-Agentur führt die Gruppe hinein, als Erkennungszeichen hat er sich einen Luftballon an den Rucksack gebunden.

Neue Wege im Quartier finden: Ein Plädoyer für die Fußgänger

Über 20 Leute sind diesmal dabei, die gut einstündige Führung ist ein toller Mix aus Gassenwissen rund um den Westen, Kunst und Stadtführung. „Für uns ist es toll, ein Teil von der Westallee sein zu können“, sagt Erbsland. „Schließlich sind wir gleichzeitig Zielgruppe, Besucher und Nachbarn.“ Eben darum geht es auch bei der Westallee an sich: Es ist ein Fest aus dem Westen für den Westen. Und an diesem Samstag auch ein Plädoyer, wieder mehr zu Fuß zu gehen. Und auch in seinem eigenen Quartier mal neue Wege zu entdecken.

Vor dem Schmuckladen Fingerglück hat Robin Treier sein kurzzeitiges Atelier bezogen. Der Stuttgarter verbringt mehrere Monate im Jahr in New York und den Rest der Zeit in seiner Heimatstadt. „Ich mag diesen Kontrast“, erzählt er, als die Gruppe um ihn herum Aufstellung bezogen hat. Er gibt einen Einblick in sein aktuelles Werk, eine Collage mit Elementen der griechischen Mythologie, erklärt seine Arbeitsweise. Man schaut, man staunt, man knipst ein Bild. Dann schiebt sich der Tross wieder in Bewegung.

Wie auf einem fremden Planeten

Ziemlich abgefahren geht es in einem Hinterhof in der Johannesstraße zu. Ein merkwürdiges Konstrukt aus Silberfolie ist dort errichtet, es wummert elektronische Musik heraus. Ein Kölner Künstlerkollektiv ist hier gelandet, hat mit Synthesizern, dicken Vorhängen und jeder Menge Verschwörungstheorien die ungewöhnlichste Installation errichtet. Die Besucher können selbst Musik machen, über Ufos lesen oder singen, gefühlt befindet man sich dabei auf einem fremden Planeten und nicht in einem Stuttgarter Hinterhof.

Hin und wieder bleiben einige Menschen an einer Station hängen, schnappen sich ein Bier oder vertiefen sich in Gespräche. Für Erbsland und seinen Kollegen Stoff Büttner, der die Tour ebenfalls begleitet, ist das kein Problem. Im Gegenteil: Sie freuen sich riesig über den regen Zuspruch an ihrem Bezirk. Denn das ist ja das wirklich Besondere. Die beiden machen das nicht für Geld oder Ruhm. Sie selbst haben eigentlich gar nichts davon außer einem Sonnenbrand. Doch sie wollen Künstlern eine Plattform geben und zugleich zeigen, was der Westen noch alles zu bieten hat.