Weil Hunde ein vierjähriges Kind zerfleischt haben, erlaubt die rumänische Regierung es jetzt, herrenlose Streuner einzuschläfern. Tierschützer befürchten ein „Massaker“.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Bukarest - Empört schlagen Europas Tierschützer Alarm. In dem vom „hundefeindlicher Hysterie“ geplagten Rumänien drohe ein Massaker ungekannten Ausmaßes, lautet die Warnung der Vierbeiner-Lobby. Rumäniens Bevölkerung werde durch die populistischen Aussagen führender Politiker aufgehetzt und zu „Gewalttaten angestachelt“, klagt die Tierschutzorganisation Vier Pfoten. Doch auch die Proteste heimischer Hundefreunde vor dem Parlament hatten in dieser Woche keinen Effekt: Mit überwältigender Mehrheit gaben die Volksvertreter herrenlose Straßenhunde zur Tötung frei.

 

Verwilderte Hundemeuten, die am helllichten Tage durch die Straßen der Großstädte ziehen, sind in allen Metropolen auf dem Balkan ein vertrautes Bild. Doch in der Krise hat sich die Zahl ausgesetzter Streuner trotz der von westeuropäischen Tierschutzaktivisten finanzierten Kastrationsprogramme sprunghaft vermehrt. Allein in Rumäniens Hauptstadt wird die Zahl der Streuner wieder auf 65 000 geschätzt. Täglich werden 40 Bukarester gebissen.

Die sich mehrenden Hundeattacken lassen die im Südosten des Kontinents ohnehin eher schwach entwickelte Liebe zum Tier rasch an seine Grenzen stoßen. „Ich bin kein Hundefutter“ oder „Mein Land ist keine Hundehütte“ heißen die Parolen der Protestplakate, mit denen Hunderte von Bukarestern am Wochenende gegen die Straßenhundeplage demonstriert hatten. Viele trugen Fotos eines Jungen mit sich: Der vierjährige Ionut war vor einer Woche beim Spielen in Park von einem Rudel Hunde zerfleischt worden.

Menschen seien wichtiger als Tiere, argumentiert der Staatschef

Der erschütternde Tod des Kleinkinds hat die seit Jahren in Rumänien sehr hitzig geführten Glaubenskrieg zum Umgang mit den Straßenhunden neu entfacht. „Massentötungen lösen das Streunerproblem nicht“, versichert Vier Pfoten – und plädiert für langfristige und nachhaltige Kastrationsprogramme. Es wäre ein Fehler, falls die EU-Kommission den Parlamentsbeschluss für die Massentötung der Streunerhunde tolerieren würde: „Sie darf nicht Teil eines Verbrechens werden, das ein Großteil der europäischen Bevölkerung niemals vergeben und vergessen wird.“

Doch im Karpatenstaat findet die internationale Vierbeiner-Lobby immer schwerer Gehör. „Menschen sind wichtiger als Tiere“, sagt der Staatschef Traian Basescu kurz und knapp. Deshalb unterstütze er die Einschläferung herrenloser Hunde. Schon zwischen 2001 und 2004 konnten Straßenhunde nach siebentägiger Verwahrung in Tierheimen eingeschläfert werden. Nach Protesten von Tierschutzorganisationen wurde danach ein Gesetz verabschiedet, dem zufolge gefangene Streuner vermittelt oder an Tierschutzorganisationen übergeben werden sollten. Die Straßenhundplage bekam Bukarest jedoch auch damit nicht in den Griff. 2011 scheiterte der Versuch, die „Euthanasie“ herrenloser Hunde wieder zu legitimieren, am Verfassungsgericht. Dieses erklärte damals nur die Tötung offensichtlich kranker Tiere für gestattet.

Laut dem nun verabschiedeten Hundegesetz sollen Tierliebhaber 14 Tage die Möglichkeit eingeräumt werden, gefangene Tiere zu „adoptieren“. Findet sich innerhalb dieser Frist kein neuer Eigentümer, werden die Hunde eingeschläfert.

Die Tieraufsichtsbehörde hat die Zahl ihrer Hundefänger-Teams jetzt von drei auf elf erhöht. Denn auch kastrierte Streuner beißen. Das Dauerargument der Hundeaktivisten, dass das Mittel Massenkastrationen noch gar nicht richtig ausgeschöpft worden sei, hat durch den Tod des kleinen Ionut einen gehörigen Dämpfer erhalten. Einer der identifizierten Hunde, die ihn zu Tode bissen, war sterilisiert und mit einer Ohrmarke versehen. Tierschützer hatten ihn per Adoption aus dem Tierheim geholt – und offensichtlich wieder frei gelassen.