Die Stadt verschickt Rechnungen fürs Straßenreinigen und bekommt wütende Proteste zurück. Die Gebühren können sich auf mehrere tausend Euro summieren.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Angekündigt waren sie lang, nun sind sie verschickt. Die ersten Rechnungen des städtischen Abfallwirtschaftsbetriebs für die Straßenreinigung lagen vergangene Woche in den Briefkästen der Hausbesitzer im Hospital-, Gerber-, Bohnen- und Leonhardsviertel. Die Reaktion ist die erwartete: wütender Protest. Was insofern wenig verwundert, als die Gebühr für die Reinigung sich auf mehrere tausend Euro pro Jahr summieren kann. Betroffen sind davon weniger die Hausbesitzer, mehr deren Mieter. Die Gebühr darf auf die Nebenkostenabrechnung umgelegt werden. Dementsprechend sind weitere Proteste zu erwarten, wenn die Rechnungen weitergereicht werden.

 

Zwar ist die Reinigungsgebühr ungeliebt, ihr Anlass entspricht hingegen einem vielfach geäußerten Anliegen. Die Stadt hat – wie berichtet – ihre sogenannte Reinigungszone eins ausgedehnt. Zuvor auf der Königstraße und in ihrer Umgebung, seit Mai auch in den umliegenden Quartieren, klauben städtische Müllwerker Abfall auf. Außerdem wird der Straßenbelag regelmäßig gereinigt. Diese städtische Kehrwoche hatten sich die Geschäftsleute im Gerberviertel und die Bewohner des Hospitalviertels lang gewünscht. Vor allem letztere leiden wegen der Nachbarschaft zur Partymeile an der Theodor-Heuss-Straße unter jeder Art von Hinterlassenschaften der Nachtschwärmer. Um die zu beseitigen, hatten etliche Hausbesitzer in der Vergangenheit private Reinigungsdienste bezahlt.

Die Stadt lehnt Ausnahmen ab

Der Handels- und Gewerbeverein im Gerberviertel sammelt Protestnoten gegen die neue Gebühr und versucht, die Besitzer der Häuser entlang der Tübinger Straße zu bewegen, das Begleichen der Rechnungen zu verweigern. Deren Höhe berechnet sich nach der Frontfläche des Hauses. Pro Meter werden rund 70 Euro fällig. Die summieren sich beispielsweise an der Tübinger Straße 19 auf 3100 Euro jährlich. Das Forum Hospitalviertel – das mit einem Bürgerverein fürs Quartier zu vergleichen ist – hatte schon vor Monaten gegen die Ankündigung der Gebühr protestiert, allerdings erfolglos. Den Bescheid, dass der Betrag zu bezahlen sei, hat Oberbürgermeister Fritz Kuhn verfassen lassen.

Das Forum hat die Quartiersbewohner für den 18. September zu einer Versammlung zum Thema eingeladen. Bis dahin „klären wir die juristischen Möglichkeiten“, sagt Eberhard Schwarz, der Forums-Vorsitzende. „Aber wir sind der Ansicht, dass es einer politischen Lösung bedarf.“ Rechtlich herrsche wohl wenig Hoffnung, die Rechnungen abzuwenden. Das heißt, der Gemeinderat müsste entscheiden, die entsprechenden Quartiere von der Reinigungsgebühr zu befreien. Dies hat der Bezirksbeirat Mitte längst gefordert, mit dem Argument, dass niemand dafür bestraft werden dürfe, wenn andere ihm Müll vor die Haustür werfen – selbstverständlich gesetzeswidrig. Die städtischen Abfallwirtschafter verweisen hingegen darauf, dass im Sinne der Kehrwoche jeder Hausbesitzer für die Reinigung des Gehwegs selbst verantwortlich ist.

Kurioses ergibt sich im Leonhards- und im Bohnenviertel. Die Bewohner einer ganzen Häuserreihe sind gleichsam doppelt bestraft. Die Front ihrer Bauten grenzt an die Katharinen-, die Rückseite an die Weberstraße. Dort muss die Gebühr zweifach bezahlt werden. Macht – wie der Hausbesitzer Klaus Jäger vorrechnet – 1610,67 Euro für sein Haus an der Katharinenstraße 37. Auch er will juristisch gegen den Bescheid vorgehen. Gleich um die Ecke ist das Marienheim sogar von vier Straßen umgeben. Im Leonhardsviertel hat die Stadt erst jüngst Häuser gekauft. Dort schickt sie die Rechnungen mithin an sich selbst.